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Tischner: Die Gehirnstrahlen Cazzamallis und ihre Bedeutung. 563
Falls diese Wellen bei halluzinatorischen und außerdem bei parapsychischen
Phänomenen auftreten sollten, dann ist zu vermuten, daß beide Gebiete irgend
etwas Gemeinsames haben werden. Es fragt sich nun, worin das besteht. Ob
echte Halluzinationen bei völlig normalem Wachbewußtsein vorkommen, ist
fraglich, es scheint, als ob zu ihrem Auftreten ein Zustand des dissozierten Bewußtseins
vonnöten ist, wie wir es in der Hypnose, der Schlaftrunkenheit, dem
Traum© oder bei gewissen pathologischen Zuständen wie der Schizophrenie vor
uns haben. Die Dissoziation des Bewußtseins spielt nun aber bekanntlich auch
bei den parapsychischen Erscheinungen eine große Rolle. Die Telepathie zumal
scheint leichter und mit Vorliebe vom Unterbewußtsein auszugehen; Trance,
Hypnose und die leichte Dissoziation der Psyche, wie wir sie beim automatischen
Schreiben und dem Kristallsehen haben, begünstigen diese Fähigkeiten.
Bei Menschen mit stark oberbewußter Konzentration und Kontrolle pflegt man
diese Erscheinungen nicht zu erwarten und zu suchen.
Wenn nun die Cazzamallischen Forschungen richtig sind, dann scheinen
sie zu zeigen, daß neben dieser psychischen Dissoziation auch eine gewisse
physische bei diesen psychischen Vorgängen einzutreten pflegt, indem
energetische Schwingungen die Körpergrenze überschreiten, was sie sonst nicht
in merkbarem Maße tun.
Hätten wir auf diese Weise einerseits die beiden Gebiete der Halluzinationen
und der parapsychischen Erscheinungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht
, so ist diese psycho-physische Dissoziation keineswegs eine ad hoc gemachte
Erfindung, denn wir haben auch sonst noch ein Gebiet, auf dem diese
Spaltung eine Tatsache ist, ich meine das Gebiet der paraphysischen
Erscheinungen, wie Telckinese und Teleplastik sowie das der Exteriorisation der
Sensibilität. Hier haben wir fast immer einen manifesten dissoziativen Zustand
der Psyche, den Trance oder tiefe Hypnose, und anderseits hat hier in
der Tat eine Energie oder Materie oder auch beides die Körpergrenze überschritten
und läßt sich draußen mittels physikalischer Methoden nachweisen.
Ob die Aehnlichkeit der beiden Gruppen noch weiter geht, muß erst die
weitere Forschung erweisen. Es ist nicht bekannt, wieweit vom Körper entfernt
solche Energien nachweisbar sind, ob nur in der Nähe oder ob auch in
größerer Entfernung, denn bisher jedenfalls sind derartige Strahlungen von
Cazzamalli nur in der Nähe des Mediums gefunden, es ist damit also noch nicht
die für die telepathischen Erscheinungen erforderliche Fernkraft nachgewiesen.
Es ist sehr wohl möglich, daß, wie die Seele bei diesen Akten ihre feste Geschlossenheit
verliert und die Beziehungen der einzelnen Akte zum normalen
Mittelpunkt loser werden, auch der Körper seine festbegrenzte und umschlossene
Einheit einbüßt und seine scharfen Grenzen zu verschwimmen beginnen,
indem sich um ihn ein Kraftfeld bildet, geradeso wie bei den paraphysischen
Phänomenen.
Ein gewisser Unterschied der beiden Gruppen würde der sein, daß bei den
paraphysischen Erscheinungen das für uns wesentliche des Prozesses in physikalischen
Vorgängen besteht, die, obwohl vom Körper ausgehend und mit ihm
in einem gewissen Zusammenhange stehend, doch außerhalb der Körpergrenzen
vor sich gehen, während bei der anderen Gruppe diese physische Ausstrahlung
nur die dissoziativ bedingte Begleiterscheinung des im wesentlichen
psychischen Prozesses ist, der in die Ferne wirkt.
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