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Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1927.)

führbar zu sein. Hier hilft uns, wie mir scheint, einzig O s t y s geistvolle
Lehrex) vom „transzendentalen Plan" des Menschen, d. h. von seiner ihm ohne
sein Wissen anhaftenden Schicksalsbestimmtheit, welche eben dem mit „Meta-
gnomie" Begabten zugänglich ist. Betreffen doch, nach 0 s t y, fast alle Prophezeiungen
das Persönliche, nur ganz wenige aber Kollektivereignisse. Ostys
Lehre erinnert uns stark an Leibniz' Lehre von den Monaden, welche ihr
gesamtes Erleben aus sich allein produzieren.

Mag man nun aber Ostys gut gestützte und sorgfältig ausgearbeitete
Hypothese annehmen oder nicht, ganz sicherlich stehen alle Vorahnungen in un-
mittelbaier Beziehung zu den großen philosophischen Problemen der Freiheit
und insbesondere des freien Willens und sind daher auf alle Fälle sehr
wichtig für uns:

Wer Prophetie als Tatsache annimmt, kann nicht gleichzeitig Freiheit im
strengen Sinne, d. h. im Sinne des Indeterminismus, annehmen. Freiheit würde
übernormale Vorahnungen ebenso unmöglich machen wie irgendeine normale
Berechnung. Denn Freiheit durchbricht die Kette des kausalen Zusammenhanges.
Einen Weg mag es vielleicht noch geben: Man mag sagen, daß Vorahnung dann
mit Freiheit zusammengehen kann, wenn sie sich nur auf Mögliches bezieht,
wenn sie nur sagt: Dies wird geschehen, falls kein freier Wille dazwischen
tritt. Denn wir wissen ja, daß die Inhalte des Wollens sich dem Ich in einer
determinierten Weise darbieten, und daß die freie Tat des Ich, wenn sie besteht,
sich nur auf das Ja- oder Neinsagen zu diesen Inhalten bezieht2). Aber auch
dann besteht eine große Schwierigkeit. Denn schon ein einziger „freier"
Akt würde ja den Lauf der ganzen Welt in einer Weise ändern, die nicht vorausgesagt
werden kann. Die Vereinigung von Vorahnung und Freiheit würde daher
eine Sache von großer Unwahrscheinlichkeit und Unsicherheit sein, falls
wir nicht annehmen, daß freie Akte außerordentlich selten sind. Wir kehren
also wohl besser die Sache um und sagen einfach: Wer die Prophetie annimmt,
muß die Freiheit verwerfen. Hier sind wir also an einen Punkt gekommen, an
dem die Parapsychologie eine ganz entscheidende Rolle für die Philosophie zu
spielen berufen ist.

Persönlich ziehe ich es vor, die Freiheitsfrage offen zu lassen, bis mehr Fälle
von Vorahnung bekannt geworden sind.

7. Die physischen Erscheinungen der Parapsychologie, Telekinese,
* Levitation, Materialisation usw. sind sowohl bei den Gelehrten wie bei Ben
Laien auf viel größeren Widerstand gestoßen als die seelischen. Viele Leute
erzählen uns alle möglichen Geschichten über Telepathie, sträuben sich jedoch,
die paraphysischen Phänomene zuzulassen; und doch steht hier gerade die Parapsychologie
in viel engerer Verbindung mit gesicherten und wohlbekannten Tatsachen
der Wissenschaft als irgendwo sonst. Ja man Tcönnte so weit gehen zu
sagen: Die moderne Biologie ist bereits Parapsychologie, soweit deren physische
Seite in Frage kommt.

Das fundamentale Kennzeichen aller paraphysischen Erscheinungen besteht
darin, daß die Seele fähig ist, materielle Erscheinungen hervorzurufen, das
Wort „Seele" in einem sehr weiten Sinne genommen, welcher das Unbewußte
und das Unterbewußte einschließt.

*) E. Osty: La connaissance supranormale, 2. A., 1924.

*) Hierzu meine Grundprobleme der Psychologie, 1926, S. 196.


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