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Driesch: Parapsychologie und Philosophie.

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Beginnen wir mit der Aufzählung aller Fälle, in denen eine ursächliche
Beziehung zwischen seelischen und materiellen Erscheinungen bereits im Normalen
bekannt ist:

An erster Stelle steht hier der sogenannte Wille in seiner Beziehung zu
den Bewegungen meiner Gliedmaßen, meiner Zunge usw. Ich „will", und etwas
Stoffliches geschieht. Das allein nämlich ist der richtige Ausdruck. Denn
„ich" tue nicht irgend etwas, wie Hume bereits gesehen hat; es möchte denn
sein, daß ich die Tätigkeit des unbewußten Teils meiner Seele zu hemmen vermöchte
, wie diejenigen sagen müssen, welche Willensfreiheit annehmen. Aber
auch dann würde die Bewegung meines Arms oder, beim Sprechen, meiner
Zunge und meiner Lippen durch den unbewußten Teil der Seele besorgt
werden. Denn ich weiß ja doch nicht, wie man das macht, „motorische Nerven
reizen", „Muskeln zusammenziehen* usw. Ja, als Laie auf dem Gebiete der
Anatomie und Physiologie weiß ich nicht einmal, daß es alle diese Dinge gibt
Meine Seele kennt sie, und sie weiß sie auch zu gebrauchen, um ein bestimmtes
Ziel zu erreichen, welches allein „ich" gewollt habe.

Zweitens g.bt es den Einfluß der Seele auf die Ausscheidungen
der Drüsen, wie er so klar von dem russischen Physiologen Paw 1 ow in
seinen Studien über „psychische" Sekretion beschrieben ist. Der Geruch der
Nahrung bringt die Drüsen des Verdauungsapparates zur Ausscheidung, beim
Menschen sowohl wie beim Hunde. Hier tritt freilich nicht Wille ins Spiel,
sondern eine bloße Wahrnehmung oder sogar Einbildung; aber es handelt sich
doch nicht um einen angeborenen Reflex. Das Unbewußte hat im Wege der
Assoziation gelernt; und Assoziation spielt auch noch weiter eine Rolle, indem
z. B. ein Hund zur Drüsensekretion veranlaßt werden kann durch das bloße
Hören eines bestimmten Tones, der ihm stets zusammen mit der Nahrung dargeboten
wurde.

An dritter Stelle haben wir die physischen Effekte der Suggestion
und Autosuggestion im hypnotischen oder sogar im wachen Zustande. Das
Bluten von Wunden kann auf diese Weise gestoppt werden, sogenannte „Erkältungen
" können vermieden oder wenigstens auf ein Minimum eingeschränkt
werden, ja, mehr noch, Entzündungen kann man hervorrufen, wenn man die
Haut mit einem gewöhnlichen Stück Metall berührt, von dem nur „gesagt"
wird, daß es heiß sei. Und es gibt noch viele ähnliche Erscheinungen.

An letzter, aber wahrlich nicht bedeutungslosester Stelle steht die allgemeine
Biologie in ihrer heutigen Gestalt als Ganzes: Die Biologie ist im
Laufe der Zeit vitalistisch geworden, und ich selbst darf sagen, daß ich eine
gewisse Rolle in diesem Prozeß gespielt habe*). Meine Lehre war auf die Zer^
gliederung ganz bestimmter Tatsachen begründet und war durchaus keine luftige
Spekulation. Gewisse Tatsachen der Formbildung, der Embryologie sowohl wie
der Regeneration, können einfach auf einer sogenannten mechanistischen
Grundlage nicht verstanden werden, d. h. bei der Annahme einer bestimmten
gegebenen Struktur, welche nichts als physikalische und chemische Kräfte einschließt
. Die Entwicklung eines vollständigen Organismus aus isolierten Fur-
chungszcllen gehört hierher und noch viele andere Dinge. Den unbewußten,
nichlmechanischen Faktor, der hier am Werke ist, können wir nun sicherlich

i) Vgl. raeine Philosophie des Organischen, 2. Aufl., 1921.


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