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Herbertz: Der physikalische Mediumismus u. die vitalistische Weltanschauung 603
Ein Mitglied des britischen Komitees, welches Eusapia Palladino in Neapel
untersuchte, sagte mir, daß die besten Resultate einmal um Mittag bei sehr
hellem Lichte erzielt worden seien. Das sollte uns ermutigen, nicht die vollkommenen
Sklaven des Mediums oder des Geistes zu werden. Wir müssen versuchen
das Medium zu unserem Objekt zu machen und nicht das seine zu
sein. Sobald wir diese neue Höhe der Kontrolle erreicht haben werden, wird
aller Skeptizismus in Sachen der parapsychischen Tatsachen unmöglich werden.
Denn er würde lächerlich sein, wie ein guter Teil von ihm schon heute ist.
Der physikalische Mediumismus und die vitalistische
Wellanschauung.
Yon Dr. Richard Herbertz, ord. Prof. der Philosophie, Berlin.
In seiner Rede bei Antritt der Präsidentschaft der „Society for Psychical
Research" sprach Hans Driesch die denkwürdigen Worte: „Einst wird die
Parapsychologie das eigentliche Zentrum aller Wissenschaft und Philosophie
sein, die wahre Grundlage dessen, was wir im Deutschen Wellanschauung
nennen." Ich halte diesen Ausspruch — wenn man ihn nur recht versteht —
nicht für eine Uebertreibung. Um ihn aber richtig zu verstehen, muß man
sich darüber klar werden, nach welcher Richtung hin und in welcher Reichweite
die parapsychologische Erscheinung — nach ihrem heutigen Stand —
sich weltanschaulich auswirkt oder auszuwirken verspricht. Es ist viel darüber
geredet und geschrieben worden, daß diese Forschung berufen sei, unser ganzes
bisheriges Weltbild von Grund aus umzugestalten. Die Grundpfeiler unserer
heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnis — z. B. die Erhaltungsgesetze
— würden einstürzen. Organische und anorganische Naturwissenschaften würden
sich genötigt sehen, ihre bisherigen Wege vollständig zu verlassen und jene
neuen Bahnen einzuschlagen, die ihnen durch die Parapsychologie vorgezeichnet
seien. Ich halte diese radikale -Auffassung für grundsätzlich verfehlt. Ich
glaube hier nicht an eine Revolution, wohl aber an eine Evolutionf. Es
sch( int mir, daß Driesch recht hat, wenn er erklärt, daß die parapsycho-
logischen Phänomene in der gleichen Richtung liegen unef gleichsam eine
Fortsetzung gewisser biologischer und psychologischer Talsachen bedeuten,
die wohl begründet und wohl bekannt sind.
Wir wollen hier die parapsychologische (also mit den Mitteln der herkömmlichen
„Normale-Psychologie nicht erforschbare) Komponente in den
Phänomenen des sogenannten „physikalischen Mediumismus" besonders ins
Auge fassen. Und aus dein so abgegrenzten Gebiet wollen wir wiederum nur
die in Kontinuität mit einer lebenden Person auftretenden Erscheinungen berücksichtigen
, also insbesondere die Erzeugung von sogenanntem „Teleplasma"
und die Formung irgendwelcher organischen Gebilde aus diesem Teleplasma,
seitens eines Mediums im Trancezustand. Fassen wir diese besonderen
Erscheinungen allein ins Auge, so dürfen wir sagen: i. sie sprechen im Sinne
einer vitalistischen Weltanschauung, d. h. einer solchen, die an eine Eigengesetzlichkeit
der Lebensvorgänge glaubt, welche sich in der organischen Formbildung
, im Harmonischen und im Regulatorischen auswirkt und der mechanischen
Gesetzmäßigkeit 'übergelagert ist 2. die vitalistische Weltanschauung
spricht aber auch umgekehrt und gleichsam a priori zugunsten jener
erwähnten Erscheinungen des physikalischen Mediumismus. So daß man fast
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