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Boehmer: Buschmann-Zauber
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Genau abgegrenzt ist das riesige Gebiet unter den einzelnen Stämmen und
wiederum unter den einzelnen Sirjpen. Streng ist das Besitzreeht dieser Gebiete
, so daß es selten ein Jäger wagt, ein Wild nach Übertritt in ein anderem
Stammesland auch nur zu verfolgen oder sich zu holen, wenn es von ihm angeschossen
über die Grenze fiel, i
Gern gesehene Gäste waren wir Schutz truppler bei allen Stämmen. Alle
wußten genau, daß wir nach kurzen Streifen wieder ihre Jagdgründc verlassen
würden. Während unseres Aufenthaltes aber hatten sie keine Sorge um Nahrung
, denn leichter wie sie erlegten unsere weittragenden Gewehre genügend
Wild auch für sie und ihre Familien.
Die Schutztruppenuniform war zum Talisman geworden. Völlig vertraut
zogen stets ganze Sippen mit uns, nicht zuletzt, weil doch allerlei Geschenke für
sie abfielen, die ihnen köstlichste Reichtümer bedeuteten, etwa ein Taschenmesser
oder Platlentabak für ihre Späh- und Wächterdienste.
Trotzdem waren uns die Herren des Landes meist etwas grauenhaft, denn zu
oft waren Polizisten und Siedler, gar nicht zu reden von Eingeborenen, die mit
ihnen in Konflikt kamen, umgekommen. Kleiner, als sonst auf Patrouille
üblich, war darum der Kreis unserer Lager in Buschmanns-Land.
In schwere Bedrängnis waren wir einmal im Haicumfelde geraten. Unser
Proviant war zu Ende und wir hatten keine Anstalten zur Umkehr gemacht,
fest auf Wild rechnend. Doch die melonenartigen, Tschammas waren abgeweidet,
überhaupt das letzte Regenjahr strichweise recht schlecht gewesen. Wir hatten
also nichts mehr zu beißen ^und zu nagen als unsere eisernen Rationen.
Mit uns zog im Haicumf eld A u c u i b , der wegen seiner Kenntnisse, seiner
Geheimnisse und Gifte weit übe1* seinen Stamm hinaus bekannte und gefürchtete
Medizinmann der Haicum. Uralt, eine Art Patriarch
der Khung und Haicumleute. Für uns war er ein wertvoller Führer, den wir
Buschmüden mit unseren abgetriebenen Kamelen in unserem Zustand nicht
genug schätzen konnten.
Aucuib sah seit Tagen, was unser Marschtempo so beschleunigte — wir
brauchten Fleisch! Eines Abends ließ er unserem Patrouillenführer durch unsere
Eingeborenen folgende Botschaft etwa übermitteln: Wir seien doch sonst so
schlau und gewaltig mit unseren Gewehren, Maschinengewehren, Kamelen und
gelben und schwarzen Dienern, so sollten wir doch jetzt endlich Fleisch machen,
sonst müsse er umkehren. Fleisch sei ganz in der Nähe.
Das klang wie bitlerer Hohn, denn seit Tagen hatten wir keine frische
Spur mehr geschnitten, nicht einmal die einer Zwergantilope. Doch wir waren
ja im Haicumfelde und mit uns der große Medizinmann, da war weder ein
Aufbegehren, noch eine deutliche Antwort ratsam. So ließ ihm unser Führer
sagen: Wir seien doch nur zu Besuch in seinem Lande und unsere Macht sei hier
geringer als die seine. Wenn er wisse, wo Fleisch sei, dann solle er uns nur
auf die Spuren bringen, wir würden dann mit unseren Gewehren schon das
unsere tun. Darauf gab er zurück, er selber werde heute nacht noch
einen großen Elandbullen, genug Fleisch für uns alle, erlegen.
Wir sollten nur unsere Tiere marschfertig machen und uns bereithalten.
Mit Mondaufgang waren wir fertig.
Im Buschmannlager drüben, das in einiger Entfernung von dem unseren
lag, herrschte fieberhafte Tätigkeit. Wir konnten beim Mondlicht sehen, wie
der alte Aucuib im Kreise seiner um ihn am Boden hockenden Leute rätselhafte
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