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Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1927.)
Zeichen machte, bald tanzende, bald betend anmutende Bewegungen ausführend;
schließlich blieb er wie versteinert stehen, während sein Gefolge einen eigentümlichen
, in den höchsten Tönen wie Pfeifen sich anhörenden Gesang anstimmten
. Gespensterhaft mutete uns die ganze Szene da drüben an. Bei dem
Anblick der mondbeschienenen Zwerge konnte man das Gruseln lernen. Plötzlich
griff Aucuib nach seinem Schießzeug, das \or ihm
auf dem Boden lag, und sandte seinen Pfeil hoch in die
Luft, weit über Busch und Baum hinaus gegen Norden.
Dann stand er wieder wie versteinert, das Singen flaute ab, die Leute standen
auf und folgten dem rasch ausschreitenden Aucuib. der uns zuwinkle zu folgen,
in dem den Buschleuten eigenen Laufschritt in der Richtung des abgeschossenen
Pfeiles.
Voran Aucuib mit seinen Leuten in hellstem afrikanischen Mondlicht —
hell genug, um lesen zu können — dahinter unsere Patrouille, zogen wir durch
den Busch. Unsere Nerven waren auf das äußerste gespannt. Länger als zwei
Stunden — wir hatten nach unser aller Ansicht mindestens 12 Kilometer
gemacht — ging es unermüdlich vorwärts.
Plötzlich: „Hall!!"
Aucuib stand, seine Leute saßen neben ihm — wir trabten auf. Noch nie
habe ich ein schauerlicheres Gesicht gesehen, wie das des allen Aucuib in diesem
Moment, das fast weiß in seiner Ekstase erschien. Er wies mit
einem Kopfnicken in der Richtung auf einen unförmigen
Klumpen unter einem Busch, den wir erst jetzt bemerkten,
und der nichts anderes war als ein schwerer alter Eland-
bulle, ein Einzelgänger, wie die Spur am nächsten Tage
einwandfrei bewies.
Aucuib beobachtete gelassen und spöttisch unser mit Entsetzen gemischtes
Staunen, trat auf den Bullen zu und schnitt unter dem Blatt ein kreisrundes
Fleckchen Fell und Fleisch heraus.
Der Beherzteste von uns folgte Aucuib und fühlte fachkundig zwischen den
Hinterschenkeln die Wärme des Wildes, um ungefähr die Zeit des Todes festzustellen
, schüttelte oen Kopf und kam wieder zu uns zurück.
Später haben wir einander gebeichtet, daß einem jeden von uns die Haare
^zu Berge standen in jenen Momenten. Zunächst siegte der Hunger über das
-Grauen. Bald flackerten wieder Feuer auf; der Bulle wurde sorgfältig ausgeweidet
, and nachdem genau festgestellt wai, daß er nicht an Vergiftungserscheinungen
eingegangen sein konnte, schmorten und brieten wir und aßen,
wenn auch mancher mit etwas langen Zähnen.
Aucuib wurde reich beschenkt und die Beute ehrlich geteilt. Am nächsten
Morgen aber ließ unser Führer durch einen Reiter mit einem
Eingeborenen die Spur des Bullen verfolgen, denn er wollte
sich — wie er sagte — absolut keine Komödie vormachen lassen. Auch das
ergab keinerlei Anhaltspunkte für irgendeine Erklärung
des mysteriösen Falles. Der Bulle war \on Norden kommend uns enl-
gegengezogen, und die Wärme des Wildes hatte ja bewiesen, daß es auf
keinen Fall länger als zwei Stunden gelegen halte.
Ein schöner Schwindel! — sagten die Ungläubigen unter uns. Doch Aucuib
,hatte es noch besser mit uns vor.
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