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Renz: Einige weitere okkulte Erlebnisse.
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blätter, welche in den verschlossenen Schubladen seines Schreibtisches lagen,
beschrieben und mit einer Mitteilung versehen vorfand. Niemand hatte übrigens
Zutritt zu seinem Schreibtische.
Ohne ihm nun etwas davon zu sagen, kaufte ich zwei Schiefertafeln, wusch
sie gründlich ab und legte ein kleines gespitztes ^Griffelstück hinein. Die
Schiefertafeln wurden sodann in Papier eingewickelt und mit einer Kordel
zugeschnürt. Sodann hüllte ich sie noch in ein dickes Packpapier ein, umschnürte
nochmal das Paket und versiegelte es. Unerwartet begab ich mich eines
Abends zu meinem Freunde, legte das Paket in seinen Schreibtisch und schloß
denselben ab, wobei ich den Schlüssel in meiner Tasche barg. Niemand von uns
verließ das Zimmer. Nach zwei Stunden öffnete ich nun, bevor ich mich nach
Hause begab, den Schreibtisch, enthüllte das Paket, und wir gewahrten, daß
die inneren Seiten der beiden Tafeln mit Schriftzügen bedeckt waren. Die
Spitze des Griffels war abgenützt, was augenscheinlich bewies, daß davon Gebrauch
gemacht worden war. Da die Schiefertafeln kurz danach durch Feuer
zerstört wurden, vermag ich nicht den genauen Inhalt der Mitteilung wiederzugeben
, die übrigens von keiner besonderen Wichtigkeit war. Indes lautete die
Anrede: „Lieber Karli", wie ich genannt wurde, als ich noch in Europa lebte,
während ich ja hierzulande den Namen „Charles" führe. In der Botschaft
wurde mir übrigens der Rat zuteil, meine Forschungen im Okkultismus fortzusetzen
. Die Mitteilung war mit „Rosalie" unterzeichnet, ein Name, der hier
nur sehr selten vorkommt und der mir zu jener Zeit durchaus nicht geläufig
war. Wochen nach diesem Vorfall erfuhr ich, daß meine Großmutter Rosalie
geheißen hatte. Auch vermag ich mich ihrer noch deutlich zu erinnern; ich
war damals vier Jahre alt, als sie uns in der Schweiz zu Genf besuchte, und ich
vermag mich noch lebhaft zu entsinnen, wie wir ein Jahr darauf — wir lebten
damals in Rußland — ein Telegramm erhielten, das ihren Tod ankündigte.
III.
Einige Jahre später engagierte ich eine französische Krankenpflegerin,
Frau A.. für einen meiner Geisteskranken. Die Pflegerin mochte nahezu
5o Jahre alt sein; sie war eine ausgezeichnete Person und hatte ein gutes Herz,
wohingegen ihr Aeußeres nicht im mindesten anziehend war. Eines Tages
berichtet sie mir, daß sie mit einer jungen Amerikanerin, Frau B., zusammen
gekommen sei, und daß diese keinerlei Kenntnisse der französischen Sprache
besitze. Diese Frau B. hatte die Fähigkeit, automatisch zu schreiben, übte dies
indes keineswegs berufsmäßig aus. (Ich bekomme gar manche automatische
Schrift zu Gesicht, die ich auf "die Tätigkeit des Unterbewußtseins zurückführe.)
Als Frau A. eines Abends bei Frau B. weilte, schrieb letztere auf einmal
automatisch: „Que vous etes iolie, ma cherie" lS) in großen Buchstaben — und
kein Wort weiter. Ich wiederholte hier, daß Frau B auch nicht im mindesten
etwas von Französisch verstand. Frau A. bat mich nun, ihr diese Mitteilung zu
erklären und berichtete mir sodann auf meine Bitte, mir etwas aus ihrem Leben
zu erzählen, das folgende:
„Ich wurde in Paris geboren, daselbst erzogen und verheiratete mich auch
dort. Mein Mann (der vor 25 Jahren verstarb) und ich führten eine überaus
glückliche Ehe und liebten uns zärtlich, obschon ich stets überzeugt war, daß
) Ja, mein Liebchen du bist hübsch.
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