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612 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1927.)
ich dies wahrlich nicht meinem Aussehen zu verdanken hatte. Mit anderen
Worten, daß ich eben nicht gut aussähe. Ich bat meinen Mann daher flehentlich,
mir doch zu sagen, daß ihm mein Aussehen gefalle (als Frau A. mir dies
berichtete, ward sie über und über rot). ,Me trouvez vous jolie?' richtete ich oft
die Frage an ihn; allein er gab mir niemals eine bejahende Antwort. Er ging
stets die Frage aus dem Wege, indem er zu sagen pflegte: ,N'y pensez pas, ma
chere femme, vous etes si bonne, et je suis salisfait')-
Mein Gatte starb, als ich ungefähr 25 Jahre alt war, und ich habe mir seitdem
niemals mehr über mein Aussehen Kummer gemacht/'
Wäre von Frau A. diese automatisch geschriebene Mitteilung erfolgt,
anstatt von Frau B., so würde ich sie lediglich auf den im Unterbewußtsein
gelegenen Wunsch zurückgeführt haben, selbst wenn Frau A. seit dem Scheiden
ihres Gatten niemals mehr daran gedacht hätte. Man mag es für eine unterbewußte
telepathische Mitteilung halten, doch erscheint dies ziemlich kompliziert
, zumal Frau B. keine Ahnung von der französischen Sprache hat. Von
spiritistischer Seite aus wird allerdings behauptet werden, daß es sich um eine
Mitteilung des abgeschiedenen Geistes des Ehemanns der Frau A. handele. Was
ist die Ansicht derjenigen, die über eine größere Erfahrung als ich verfügen?
Experimentalberichte.
Die Phänomene des Mediums Rudi Schneider.
Bericht über 2 Sitzungen in Braunau.
Von Harry Price, London2).
Autorisierte Uebersetzung von M. Baader, München.
Der Leser möge sich erinnern, daß ich in meinem Aufsatz über die Phänomene
des Willy Schneider (Zeitschrift für Parapsychologie, Heft 5, 1926) bemerkte
, der eigentliche Grund meiner Braunauer Reise sei das Studium der
Phänomene seines jüngeren Bruders Rudi gewesen. Aber dieser lag bei unserer
Ankunft am 28. Oktober 1925 an Blutvergiftung krank zu Bett und war nicht
imstande, eine Sitzung zu geben. Deshalb machten wir unsere Versuche mit
Willy Schneider und erzielten die geschilderten prächtigen Resultate.
Rudi wurde bald vollständig gesund. Baron Schrenck-Notzing und andere
Gelehrte schrieben mir, daß er wieder Sitzungen gebe und gute Phänomene
habe. So beschloß ich denn, nochmal nach Braunau zu reisen.
Die Familie Schneider und Braunau selbst wurden in meinem ersten Aufsatz
eingehend geschildert.
Rudi ist ein r7 jährig«r geweckter Bursche, Mechanikerlehrling und besucht
noch eine Fachschule. Er ist Sportler mit Leib und Seele und bevorzugt —
wie sein Bruder Willy — Fußball. Außer den in den Sitzungen beobachteten
Phänomenen ist an dem Jungen nichts Anormales zu bemerken. Seine Mediumschaft
wurde 1021 entdeckt, gelegentlich einer Sitzung mit Willy. Zwei ältere
Brüder, Karl und Hans, sind Unfalls sensitiv unl assistieret gelegentlich
1) An so was mußt du nicht denken, liebe Frau. Du bist so gut und ich
bin befriedigt.
2) Harry Price: The Phenomena of Rudi Schneider. The Journal ofthe
american Soc. for Psych. Res. Vol. XX, No. 11 (Nov. 1926.)
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