http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0636
618 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1927.)
bewegtmgen. Karl ist unruhig, Radis Kopf sinkt auf meine Schulter. „Olga"
raeint, das Medium sei erschöpft und erbittet 12 Minuten Pause. Rudi und
Karl bekommen nun synchrone Zuckungen und wachen mit dem gleichen
heftigen Ruck um 9 Uhr 4o Minuten auf. Puls (Rudi) 110. Temperatur 72,5
Grad F.
Nachdem die beiden Medien wieder bei Bewußtsein sind, zeigt sich, daß
Rudi ganz heiß ist, in Schweiß gebadet. Karl dagegen fror, trotz der respektablen
Hitze im Zimmer! Ich meinerseits schwitzte wie ein Neger. Die Schneiderschen
Trancepersönlichkeiten scheinen mir mit einem „Katharinas-Komplex
behaftet zu sein, welcher ihnen völlig denjenigen ausliefert, der die Worle dieses
schaurig-schönen Liedes beherrscht. Aber die Wirkung auf die Phänomene ist
dabei offenbar eine günstige und deshalb betrachte ich das Lied „0 Katharina*'
als das klassische Sitzungslied. Mag sein, daß sein Wiener Ursprung den Effekt
verschuldet. —
Im Zimmer war es derart heiß, daß ich vorschlug, während der Pause ein
Fenster zu öffnen. Ich bat, die Fenster im Kabinett zu wählen und recht
sorgsam darauf zu achten, ob nicht irgendwelche Unordnung durch die Vorgänge
entstanden sei. Aber nichts lag durcheinander. Wir öffneten die beiden Fensterflügel
und schauten auf die gutbeleuchtete Straße hinunter, auf der, wie
in allen Kleinstädten, nur ein paar Leute gingen und ich mußte mir wieder?
sagen, daß es ganz unmöglich wäre, von der Straße aus unbemerkt in das
Zimmer zu gelangen. Es war nichts, woran sich der Fuß hätte halten können
und keine, noch so lange Leiter hätte es irgendeiner Person ermöglicht, das Fenster
von außen zu öffnen. Außerdem würde das Glas der Doppelfenster zerbrechen
bei dem \ersuch, sie aus den festen Rahmen zu lösen. Und wie
erklären sich die Schläge an das andere Fenster? Eine genaue Verfolg*ung(
des diktierten Protokolls läßt als bewiesen erscheinen, daß die Phänomene
aus dem Kabinett, das um das Fenster herum errichtet ist, zustande kamen.
Indem ich so bei mir die Wunder alle überlegte, fiel mir ein. daß ich eine
Rolle Kataplast in meiner Tasche hatte. Ich beschloß, das Fensler mit einem
Streifen dieses Pflasters zu verkleben, ehe die Decke wieder befestigt würde,
und dies ohne Mitwissen der Teilnehmer zu tun.
Unmittelbar vor Schluß der Pause (die Schneiders sind immer sehr darauf
bedacht, die Pause ja nicht über die vorgeschriebene Anzahl Minuten auszudehnen
) bemerkte ich, daß ich beim Wiederaufbau des Kabinetts behilflich
sein wolle, und machte mich daran, die beiden Fenster zu schließen. Unbemerkt
von den übrigen, klebte ich einen Streifen Kataplast über den Rahmen und
legte die Rolle auf das Fensterbrett. Wenn nun einer von draußen durch das
Fenster kam, mußte das Pflaster verschoben sein. Dann befestigte ich die
Wolldecken und half, mittels der schwarzen Vorhänge das Kabinett zu bilden.
Temperatur 73 Grad F — eine Erhöhung von o,5 Grad, trotzdem wir die kühle
Nachtluft 10 Minuten lang ins Zimmer strömen ließen. Nachdem alles fertig
war, veranlaßte ich die Teilnehmer, ihre alten Plälze wieder einzunehmen.
Ich saß, wie vorher, zwischen den beiden Medien und kontrollierte Rudi in der
bereits beschriebenen Weise. Karl schob seinen Arm in den meinen. Dann
bat ich Vater Schneider, das Licht auszudrehen (9 Uhr 52 Minuten) und sich
wieder hinter seine Frau zu setzen. Kapitän Kogelnik machte die Notizen
wie im ersten Teil.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0636