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sie vorführen, wissen selbst kein Sterbenswörtchen um das Geheimnis, können
also auch nichts an das Medium durch einen der sattsam bekannten Kniffe
weitergeben. Die Kombination und Spekulation scheiden aber deshalb aus der
Betrachtung aus, weil die Begebenheiten in allen ihren Einzelheiten mit erstaunlicher
Kleinmalerei geschildert werden. Wenn beispielsweise in Fällen, die ich
selbst beobachten konnte, sogar der nicht gewöhnliche Taulname des Opfers ein<^
Verbrechens genannt werden konnte, dann die Lage, in der man die Ermorde'e
auffand, und ihre Bekleidung zutreffend geschildert wurde, so schließt dies eine
Krtifftelung oder den Zufallstreffer aus. —
Der Vorgang, der bei der Befragung beobachtet wurde, war in der Regel der:
Dem Medium wurde eine schwarze Binde über die Augen gelegt. Augenblicklich
tritt eine hypnotische Bewußtseinsspaltung ein, denn sogleich kann mit der Stellung
der Fragen begonnen werden. Diese Fragen werden von dem einen Reisebegleiter
des Mediums wiederholt, denn nur mit ihm besteht ein Rapport und
nur er wird gehört. Wohl könnte er auch ausgeschaltet und das Medium mit
dem Fragesteller in unmittelbare Verbindung gesetzt werden, allein der Wirrwarr
, zu dem es hierbei bei öffentlichen Vorführungen gekommen ist, hat hiervon
absehen lassen. Bei dem Auftreten auf der Kleinbühne ward eigens gebeten,
möglichst markante, also das Medium seelisch aufwühlende Geschehnisse zur
Ergründung zu wählen. Nun ward der Ort genannt, wo sich das Ereignis zutrug,
und zugleich damit der Tag und womöglich die Stunde, zumindest aber die
Tageszeit. Sofort beginnt das Medium mit seiner Schilderung der örtlichkeit
und der Begebenheiten, die sich \or seinen geistigen Augen abspielen. Zumeist
ist es vorerst eine Art des Sichzurechtfindens im Räume. Das Medium fragt
beispielsweise: Bin ich recht? Ist es jene Straße, deren Böschung zu einem
Flusse steil abfällt? Wohlgemerkt: es findet nicht etwa ein Herumraten statt, es
werden nicht etwa mehrere Angaben gemacht, unter denen man nun die Wahl
hätte, sondern in allen Fällen, die ich beobachten konnte, stimmte die Ortsangabe
bei der ersten Nennung. Das Medium scheint diese Rückfrage zu lieben,
weil es aus der Zustimmung, die meist im Tone des Erstaunens gegeben wird.
Ermutigung schöpfen durfte. Will man ihm die Aufgabe erleichtern, so \erfährt
man zergliedernd. Man nennt dann das Land, die Stadt, die Straße, die
Hausnummer, das Stockwrerk, das Zimmer. Ebenso bei der Zeitangabe, zunächst
das Jahr, dann Monat, Tag und Stunde. Nach der Schilderung des Mediums
würden die örtlichkeiten wie aus der Vogelschau gesehen. Dabei käme ihr die
Vorstellung zu Hilfe, auf einer Hochfläche zu liegen und so den Rundblick und
Einblick in das ihr Dargebotene zu genießen. Es ist dies dieselbe scheinbar natürliche
Begründung, die wir auch bei Traumerlebnissen antreffen und die auch in
der mediumistischen Fernbewegung ihre Rolle spielt. Wenn die Dinge zumeist
nur in der natürlichen Reichweite bewegt werden, so liegt dem eben eine hemmende
Vorstellung des Mediums zugrunde: in Wirklichkeil können Gegenstände
auch in der größten Entfernung medial bewegt werden, wie dies bei der sogenannten
Anmeldung Sterbender genugsam zu erweisen ist. Diese H i 1 f s -
bezw. Hemmungsvorstellungen trachten die Natürlichkeit des medialen
Geschehens in dem Bewußtsein des Mediums zu retten, liefern aber nur Scheingründe
, denen genau so wie in hypnotischen Zuständen der Mangel der Kritiklosigkeit
anhaftet. Aehnlich ist der Umstand zu erklären, daß das Mediuni nach
seiner Angabe Totes nicht zu sehen vermag. Der Entdecker, oder richtiger gesagt
Entwickler des Mediums, Herr Kraus, hat sich nämlich mit Vorstellungen über
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