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646 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)
Die Vorträge, welche geboten wurden, lassen ungezwungen eine Einteilung
in drei große Gruppen zu: es gab Erörterungen über die Methodik parapsychologischer
Forschung und ihre Verbesserung, es gab theoretischphilosophische
Darlegungen und Vermutungen, und es gab endlich Mitteilungen
neuer oder Zusammenfassungen schon bekannter Tatsachen.
Die erst» dieser Gruppen ist von praktischer Wichtigkeit; denn es ist ja
leider auf parapsychologischem Gebiet die Möglichkeit des Betruges, des bewußten
und des unbewußten, oder besser „unterbewußten", immer vorhanden, da
unsere Wissenschaft eben Menschen als ihr Material hat. Gerade dieser Umstand
schreckt ja so viele von der Parapsychologie ab und kann daher gar nicht
oft genug erörtert werden. Die zweite, die theoretische Gruppe, ist für den
Augenblick besonders anregend und interessant, bewegt sich aber doch naturgemäß
durchaus auf hypothetischem Gebiet; wir wissen ja eben positiv noch
sehr wenig, und jede Theorie kann daher nicht mehr als eine bloße Arbeitshypothese
sein, die jeden Tag über den Haufen geworfen werden kann. Die
Tatsachengruppe ist vielleicht die nüchternste, aber die bedeutungsvollste.
An den Vorträgen allgemein theoretischen und philosophischen Inhalts
beteiligten sich neben dem Referenten, welcher außer dem obengenannten
Einführungsvortrag noch einen Vortrag über die Beziehungen zwischen Biologie
und Parapsychologie hielt, ein auch von Mikuska behandeltes Thema, vor
allem die Herren Oesterreich (Tübingen) und 0sty (Paris) mit Vorträgen
von hoher Bedeutung. Der erste sprach aligemein über das Problem der Persönlichkeitsspaltung
, der zweite über das Phänomen, welches er schon in seinem
Werke „La oonnaissanoe supranormale** so erschöpfend und klar behandelt hat:
die „Metagnomie", jene unmittelbare Erfassung des Wesens unddesSchick-
sals eines Menschen durch einen anderen, welche über bloße Gedankenübertragung
so weit hinausgeht.
Unter den Tatsachenvorträgen ragte der große Vortrag Schrenck-
Notzings über ein neues, in Anwesenheit vieler Gelehrter untersuchtes
Medium, sehr hervor, von großer Bedeutung waren auch die Mitteilungen Prof.
Fischers (Prag) über einen „neuen" Schermann. Tischner, Gräfin
Wassiflko, Price, Bird, Verweyen stellten die Fälle Frau Silbert,
Zugun, Stella C., „Margery", Fastenrath, im Zusammenhang und auf Grund
neuer Ermittlungen, dar. Großes Interesse rief hervor Dr. W. Princes
^(Boston) Mitteilung über Heilung Geisteskranker durch „Beschwörung". Die
Dinge liegen hier jedenfalls so, „als ob" ein fremder quälender Geist anwesend
wäre und sich vertreiben ließe. Theoretisch muß alles noch offen bleiben. Das
gleiche gilt von telepathischen Erscheinungen bei Tieren, über welche Krall
Mitteilungen machte, die mit großem Interesse aufgenommen wurden. Caz-
zamallis (Mailand) Vortrag über die von ihm während intellektueller oder
emotionaler Tätigkeit entdeckten Hirnstrahlungen stand zur eigentlichen Parapsychologie
in loserer Beziehung.
Unter den Vorträgen zur Methodik ragten die Ausführungen Lebie-
dzinsky (Warschau), Lamberts (Stuttgart) und Sudres (Paris) besonders
hervor. Der des erstgenannten, als gesprochener Vortrag reichlich lang
— er dauerte fast 11/2 Stunden —, wird im Druck ein Dokument von bleibendem
Werte sein.
In der Ablehnung des Materialismus, des biologischen Mechanismus und des
sogenannten psycho-physischen Parallelismus waren sich wohl alle Kongreß-
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