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Boehm: Geheimnisse von Natur und Seele im Falle Konnersreuth. 651
Beichtvater Naber spricht sie mit „Du" an (vgl. die Anrede der „Medien" im
Trance). Kurz sie befindet sich scheinbar zurückversetzt in die Kinderzeit, ähnlich
wie in den Versuchen von Krafft-Ebing, der durch hypnotische Suggestion
künstlich derartige Versetzungen in frühere Lebensjahre zustande gebracht hat.
Während Resl in diesem Zwischenzustand auf die feinste Berührung ihrer Hand
durch Aufzucken reagiert, ist sie während des Trancezustandes vollständig unempfindlich
für Reize auf die Kör per Oberfläche, auf Gesichts- und Gehörorgan.
Wenn der Pfarrer oder einer von uns sie fragte, was sie in der eben beendeten
Schauung wahrgenommen habe, so erzählt sie dieses mit kindlichen Worten.
Vollkommen vergessen sind auch die Visionsinhalte der Vorwoche. Auch weiß
sie nicht, daß sie aus den Augen blutet. Der Versuch, ihr zum Beispiel zu suggerieren
, daß nach der ebengeschauten Geiselungsszene Jesus durch Aufsetzen
einer Dornenkrone noch weiter gequält oder gar getötet werden könnte, ist erfolglos
, sie weist die Möglichkeit eines solchen Vorgehens gegen den schon genügend
gepeinigten Jesus scharf zurück. Es muß sich hier um einen anderen
Grad der Bewußtseinseinengung handeln, wie bei der Hypnose, da die Suggesti-
bilität nicht erhöht und keine Amnesie für das eben Erlebte besteht.
Ich sah selbst, wie sie während des inneren Erlebens der Dornenkrönung
von 7.47 Uhr bis 8.01 Uhr wiederholt mit dem Kopfe zuckte und unter schmerzlichstem
Gesichtsausdruck mit den (nicht blutigen) Fingern der rechten Hand an
ihrem Kopf das weiße Tuch zu lockern versuchte, wobei sie Bewegungen machte,
als ob sie die scheinbar eindringenden Dornen herausziehen wollte. Nach Wegnähme
der Finger zeigten sich am Kopftuche rote Stellen. Solche waren nach
Beendigung dieser Ekstase in einem Bogen am seitlichen und hinteren Schädel
sieben wahrzunehmen. Wenn man das Kopftuch etwas abhob, so fand man unter
den Haaren auf der Haut kleine, blutige Stellen. Im Verlaufe des Vormittags
drang aus den beiden Augenlidspalten.tropfenweise mit Tränen gemischtes Blut
heraus, so daß urn 12 Uhr mittags beide Wangen in der Breite von etwa 2 cm
mit teils geronnenem, teils noch flüssigem Blut bedeckt waren. Nach unten lief
dasselbe in mehreren schmalen Rinnen über den Hals bis in den Ausschnitt ihres
Hemdes. Die Abbilder der Wundmale an den Händen und Füßen bluteten an
diesem Freitag zwar nicht, zeigten aber einen hellroten Rand. Dieser war am
Donnerstagnachmittag noch nicht vorhanden. Die schnittförmige Wunde an der
linken Brustseite konnte ich nicht sehen, sie blutete aber, denn die entsprechenden
Stellen an Hemd und Nachtjacke waren stark rot gefärbt.
Daß es sich tatsächlich um Blut handelte, ist erwiesen, da die
von uns genommenen Proben im gerichtlich medizinischen Institut zu Erlangen
mikroskopisch untersucht und Häminkrystalle enthaltend befunden wurden. Im
Wachzustand betrug die Pulszahl 80 bis 86, während des Zwischenzustandes
95 bis 98, in der Ekstase stieg sie bis auf 120. (Bekanntlich erhöht sich im
mediumistischen Trance mit psychophysischen Erscheinungen ebenfalls die Pulszahl
um 3o bis 4o Schläge.)
Die mimischen und pantomimischen Ausdrucksgestaltungen entsprechen
dem, was sie innerlich erlebt, d. h. was sie als Betrachterin des leidenden
und sterbenden Jesus zu schauen glaubt. Der Umstand, daß die Seitenwunde
links sich befindet, während sie auf den bildlichen und plastischen Darstellungen
des Gekreuzigten auf der reichten Seite ist, scheint davon zu kommen, daß sie
als Beschauerin vor dem Kreuz steht und nicht sich selbst als der Gekreuzigte
fühlt. Andere Stigmatisierte haben die Seitenwunde rechts, da sie sich mit Jesus
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