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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0673
Boehm; Geheimnisse von Natur und Seele im Falle Konnersreuth

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für eine bloße Kette von Ekstasen, Visionen oder anderen außergewöhnr
liehen Dingen hält, hat es schlecht verstanden." Hochschtilprofessor Ludwig
am Lyzeum in Freising schreibt „Supranormale (okkulte) Erscheinungen
kommen nicht nur bei Heiligen vor, sondern auch bei Menschen, die weit
entfernt sind, edle und gottesfürchtige Menschen zu sein. Es besteht die Notwendigkeit
der Trennung der Visionsfrage von der Beurteilung ihres inneren
Wesens und heiligmäßigen Lebens." Ueber den Fall der Theresia Neumann
. veröffentlichten sehr objektiv gehaltene Abhandlungen Professor Naegle an der
theologischen Fakultät der Universität Prag und sein Fachkollege an der Universität
Würzburg Professor Wunderle. Letzterer schreibt am Schluß seiner Ausführungen
: „Und lehnt man auf Grund der noch immer mangelhaften Erkenntnis
das Uebernatürliche ab, eine tiefe Ergriffenheit wird man trotz allem nicht
los. Denn an Theresia Neumann sieht man dann zum wenigsten ©in
erschütterndes Geheimnis der Natur/'

Wie scharf stechen diese Aeußerungen ab gegen die Stellungnahme des Arztes,
der die Resl behandelt hat und dessen Diagnose bei der ersten Erkrankung nicht
durch die heute zur Verfügung stehenden Hilfsmittel, wie Durchleuchtung mit
Röntgenstrahlen gesichert wurde. Sanitätsrat Dr. Seidl in Waldsassen spricht
nämlich nach unwidersprochen gebliebenen Veröffentlichungen in seinem Gutachten
, das der Bischofskonferenz in Freising vorgelegen war, von sich selbst als
„katholischer Arzt". Es muß doch scharf auseinandergehalten werden
zwischen der wissenschaftlichen (medizinischen) und der religiösen Einstellung,
sonst ist das Gutachten nicht objektiv, Dr. Seidl kontrollierte auch die i5 tägige
Ueberwachung der Resl durch vier vereidigte Mallersdorfer Klosterschwestern.

Der Fall Konnersreuth stellt, wie ich behaupten möchte, einen geschlossenen
Symptomenkomplex dar, für den heute noch keine zutreffende
Bezeichnung besteht. Für das ganze Krankheitsbild den Namen „Hysterie" anzuwenden
, ist nicht genügend und passend, da bei der Hysterie verschiedene Erscheinungen
fehlen, die bei Theresia Neumann stets hervortreten und umgekehrt
typische hysterische Symptome bei der Konnersreuther Kranken nicht gegeben
sind. Die Alternative „Betrug oder Wunder', wie sie seinerzeit für die stigmatisierte
Luise Lateau Prof. Virchow stellte, kann bei unserem heutigen Wissen
nicht mehr in Frage kommen. Bemerkenswert ist auch der Ausspruch Virchows
in einer seiner Vorlesungen: „Man freut sich nicht immer, eine neue Erscheinung
zu sehen; im Gegenteil sie ist oft peinlich/' Das ist aufrichtig und
dürfte heutzutage für manche Skeptiker sehr zutreffen. Ich möchte vorerst für
die krankhaften Gesamterscheinungen bei Theresia Neumann den weitfassenden
Namen vorschlagen: „Psychogene Transformation vitaler Prozesse
/' Es sind Erscheinungen aus mehreren Wissensgebieten gegeben: aus der
Schulpsychologie, Psychopathologie, der Psycho- und Ernährungsphysiologie, der
Suggestionstherapie, dem Traumleben und der Parapsychologie. Schon anläßlich
meines ersten Vortrages in Nürnberg im Dezember 1926 über Konnersreuth
forderte ich die Abordnung einer Studienkommission, die bestehen
sollte aus Psy cl^ologe n, Parapsy cho 1 ogen, Medizinern und
Theologen. Wäre sie damals, als noch das Interesse an dem Fall gering war,
zustande gekommen, hätten sich sicher die unliebsamen Erörterungen in der
Tagespresse und die heute bestehende Sensation mit dem Massenbesuch vermeiden
lassen zum Nutzen der Wissenschaft, zum Vorteil der Kirche.


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