http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0674
654 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)
Die nach dem physischen Trauma und psychischen Schock bei dem
Brand aufgetretenen Krankheitssymptome, die Lahmheit, Blindheit
und deren plötzliche Heilung an einem Tage, an dem etwas Besonderes
im Leben der Namenspatronin der Resl, der heiligen Theresia vom Kinde
Jesu, geschah und wovon die Resl vorher wußte (den Geburtstag 2. Januar 1873
kennt sie offenbar nicht!), lassen sich nach vielfachen Erfahrungen ohne weiteres
in die Erscheinungen der „Hysterie" einreihen. Ich gebrauche hier letztere
Bezeichnung sehr ungern, wegen ihres unzutreffenden Wortsinnes. Leider ist •
sie noch nicht aus der medizinischen Nomenklatur verschwunden. Ebenso
dürften andere später aufgetretene Krankheitserscheinungen und deren Verschwinden
auf „autosuggestiven" Einflüssen beruhen. Wenn eine innere Stimme
der Resl schon vorher Kenntnis gibt, daß die vorhandene Erkrankung bzw. die
bemerkbaren körperlichen Erscheinungen eines innerlich erlebten Leidens verschwindet
, so möchte ich doch dies als ein Zeichen dafür ansehen, daß hier psychische
Auswirkungen am Werke sind. Ich erinnere nur an die Fälle, die Ludwig
Schleich in seiner Schrift „Gedankenmacht und Hysterie'* anführt. Desgleichen
scheint mir die Wirkungslosigkeit ärztlichen Eingreifens
und von Medikamenten auf ähnlicher Grundlage zu beruhen.
Wenn die innere Stimme ihr am 17. Mai 1925 sagte: „Du darfst noch viel leiden
und kein Arzt kann dir helfen", so geben diese Worte, ins Unterbewußtsein verdrängt
, Anlaß, den Inhalt dieser Einflüsterung zu verwirklichen. [„Unterbewußte
Verwirklichung einer Idee" nach Baudouin.] Wir wissen heute, daß
alle Teile des menschlichen Körpers und deren Funktionen sowie das gesamte
Seelenleben suggestiv beeinflußt werden können. Wenn auf diesem Wege die
Entwicklung und das Wachstum der Zellen beschleunigt und erhöht sowie verlangsamt
und zum Stillstand gebracht werden können, so scheint es mir nicht
undenkbar, daß auf diese Weise auch ein Gleichgewichtszustand in einem bestimmten
Entwicklungsstadium und im Bestand der Zellenverbände autosuggestiv
geschaffen zu werden vermag. Trifft diese Annahme zu und steht auf
Grund noch vorzunehmender einwandfreier Ueberwachung an einem geeigneten
Platze — nicht aber in Konnersreuth — auch für den Naturwissenschaftler fest,
daß die Resl keinerlei Nahrung zu sich nimmt, so wäre vielleicht auch diesei
merkwürdige Erscheinung der Nahrungslosigkeit zu verstehen. Nach
den Lehrmeinungen der Physiologen kann hierfür keine Erklärung gegeben werben
. Auch hier wäre dann der unerschütterliche Glaube, zum Leben
keine stoffliche Nahrung zu benötigen, die Grundursache.
Resl erklärt nämlich im Wachsein, wenn man ihr zuredet, zu essen: „Es
steht doch geschrieben: ,Mein Fleisch sei euere Speise, mein Blut euer Trank*,
deshalb brauche ich doch nur die Hostie." Durch, den am 4« Oktober d. J. veröffentlichten
Bericht des Ordinariats Regensburg ist diese wunderbare Seltsamkeit
für 10 Tage erwiesen, die exakte wissenschaftliche Welt aber wird trotzdem
noch eingehende Untersuchung der Ausatmungslufl, der Hautabsonderung,
des Urins und der anderen Entleerungen, d.h. des gesamten Stoffwechsels, in
einem geeigneten Institut fordern. Eine sehr schwierige Frage ist nur die,
welche Anstalt in Betracht kommen kann. Nicht nur müssen die erforderlichen
Meßinstrumente, Einrichtungen und ein auf diesem Gebiete erfahrener Fachmann
vorhanden sein, sondern dieser muß auch begabt sein, als Mensch dem
Menschen gegenüberzutreten und nicht glauben, nur ein aus Zellen zusammengesetztes
Objekt vor sich zu haben.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0674