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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0686
666 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)

Der Vorgang des Empfangs der Wundmale ist in vielen Fällen der gleiche:
In der Ekstase erscheint Christus; von seinen Wunden gehen Strahlen aus, die
bei der Getroffenen an den entsprechenden 'Stellen die Wunden erzeugen. Es
werden, wie schon erwähnt, nicht immer alle Wundmale empfangen; manchmal
fehlt die Seitenwunde, manchmal tritt eine Schulterwunde mit hinzu. In einigen
Fällen traten auch die Stigmen der Geißelungen auf, beides z. B. in dem seinerzeit
heiß umstrittenen Fall der Luise Lateau. Die Form der Wunden ist nicht
stets genau die gleiche. Sie unterscheiden sich von anderen Wunden dadurch,
daß sie nicht eilern und nicht zur Heilung zu bringen sind. Auf ihr Gebet hin,
veranlaßt durch den Wunsch, nicht von den anderen Menschen sich zu unterscheiden
und bestaunt zu werden, erlangten einige Stigmatisierbe Heilung ihrer
Wunden. Typisch sind die Freitagsekstasen mit dem Erleben des Leidensweges
Christi; typisch ist ferner die ganz geringe Nahrungsauf nähme der Stigmatisierten
oder auch die angeblich gänzliche Enthaltung von Nahrung. Berichtet doch
Dr. L F. Felsecker über Domenica Lazarri, anläßlich seines Besuches I8451), daß sie
seit x834 nicht die mindeste Nahrung zu sich nehme. (Die Einnahme der Hostie
bei der Kommunion ist hierbei nicht in Betracht gezogen.) — Ferner tritt ^Enthaltung
von Schlaf auf und trotz allern oft keine Abmagerung! — Die Stigmatisierte
Maria Morl hatte außer dem Passionserlebnis auch jubilierende Ekstasen",
in denen sie, auf den Fußspitzen stehend, als wolle sie auf schweben, lange verharren
konnte (sog. ekstatisches Schweben). Auch wirkliches Auf schweben wird
von Ekstatikern aus früheren Jahrhunderten berichtet. Zu erwähnen ist ferner
noch, daß viele Stigmatisierte die Fähigkeit besitzen sollen, die Gesinnung, besonders
die religiöse, der Menschen, mit denen sie in Berührung kommen, sofort
intuitiv zu erkennen und geweihte Gegenstände von mcntgeweihten zu
unterscheiden (die sog. Hierognose) 3). Andere behauptete Fähigkeiten, wie Krankenheilungen
und die beim Pater Pius ansreMich beobachtete Bilokation (das
gleichzeitige Erscheinen an zwei Orten) sind noch zu wenig sichergestellt, um
ernstlich in den Kreis der Betrachtungen gezogen zu werden; ebenso die Behauptung
, die Leichname einiger Stigmatisierten hätten sich jahrelang unver-
west erhalten und im Grabe noch geblutet. Auch ein Teil der anderen paraphysischen
und -psychischen Erscheinungen (das Fasten und die hellseherischen
Fähigkeiten) sind noch nicht in dem Umfange wissenschaftlich sichergestellt,
wie es wünschenswert wäre und gefordert werden muß, und ein Skeptiker um
jeden Preis könnte sogar das eigentliche Stigmatisationsphänomen selbst bezweifeln
, da die erste Entstehung der Stigmen kaum je unter wissenschaftlichen
Kautelen beobachtet wurde. Es muß auch durchaus damit gerechnet werden, daß
in einigen Fällen die Wunden in der Ekstase künstlich erzeugt wurden und im
Wachen manches geschah, sie offen zu erhalten. Dennoch ater bleibt sicherlich
ein Teil echter Fälle von Stigmalisation übrig. Wir können das um so eher annehmen
, als dieses Phänomen nicht aus dem Rahmen der auch wissenschaftlich
erwiesenen Möglichkeiten fällt. Es entsteht übrigens häufig, indem sich zuerst
auf der Haut eine Blase bildet; diese platzt und es kommt zur Blutung. Die Entstehung
durch Blasenbildung ist uns deshalb unschwer verständlich, weil Blasen

*) Reise nach Rom mit Berührung der Orte Loreto und Assisi in Italien und den
Besuchen der beiden Jungfrauen Maria v. Morl zu Kaltem und Domenica Lazzari
zu Capriana in Tirol. Suizbach 1847, zit. n. Jacobi.

2) Dr. W. v. Weisl bestätigte letztgenanntes auch für Therese Neumann in
seinen ausführlichen Diskussionsbemerkungen zu meinem Vortrage.


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