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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0688
I

668 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)

manns Studie über psychogene Dermatosen1). Zu diesem Thema noch ein Beispiel
aus eigener Erfahrung. Ein junger Mann besucht im Krankenhaus einen
älteren Herrn, der eine Blinddarm- und Gallenoperation durchgemacht hat.
Er läßt sich von dem Leiden und den Operationen erzählen und sieht die Verbände
. Bald danach tritt bei ihm die angstvolle Vorstellung auf, er könne auch
diese Leiden bekommen, und es dauert dann nicht lange, bis er die gleichem
Schmerzen hat. Er wird jahrelang an Blinddarm- und Gallenleiden behandelt,
ohne daß der besonderen Vorgeschichte die geringste Beachtung geschenkt wird.
Ein Arzt will Gallensteine im Kot nachgewiesen haben. Es wäre nun durchaus
denkbar, daß eine Operation auch einen objektiven, pathologischen Befund am
Blinddarm ergeben könnte. Dadurch würde an der Annahme der ursprünglich
psychogenen Entstehung des Leidens, von der ich überzeugt bin, meines
Erachtens nichts geändert werden«). Psychogen können sicherlich Aende-
rangen der Blutzirkulation entstehen, durch die eine Infektion ermöglicht wird.
Diese ist also dann sekundär. Ich habe diesen Fall besonder? deswegen angef-
führt, um darauf hinzuweisen, daß zwischen psychogen und organisch entstanden
am krankhaften Befunde nicht unterschieden werden kann. Schon auf
Grund dieser Tatsache, aber auch gestützt auf unsere heutige bessere Neurosenkenntnis
, muß es als verfehlt zurückgewiesen werden, wenn in den Berichten
über frühere Stigmatisierte neben der Hysterie oft von den vielen, rein organischen
Leiden gesprochen wird. Das geschieht an manchen Stellen, besonders von
Laien, auch jetzt wieder im Fall der Therese Neumann. Wenn schon prinzipiell
Krankheiten als organisch und psychogen nur clem Grade naen zu trennen sind,
um wieviel schwieriger ist dann diese Trennung bei so ausgesprochen empfindlichen
und labilen Persönlichkeiten, wie Stigmatisierte es sind. Auch eine „Verschleimung
" kann durchaus psychisch bedingt sein.

Doch wenden wir uns nunmehr den einzelnen Geschehnissen im Falle der
Therese Neumann zu. Ich halte mich bei ihrer Angabe an das Buch des Pfarrers
L. Witt: „Konnersreuth, im Lichte der Religion und Wissenschaft", Waldsassen
1927, welches nach den Aussagen der Therese niedergeschrieben ist. Danach
ist Therese Neumann 1898 als älteste von zehn Geschwistern geboren und
verlebte eine fröhliche und gesunde Kindheit. Aus der Schule entlassen, trat
sie auf einem ländlichen Anwesen ihres Ortes in Dienste. Die Abwesenheit der
^Männer während des Krieges stellte besonders große Anforderungen an sie,
denen sie sich gewachsen zeigte. Von allen wird sie als ein sehr fleißiges und
zuverlässiges Mädchen geschildert. Sie ist fromm katholisch-gläubig, steht aber
dabei durchaus auf festem Boden im Alltagsleben. Auch die in dem Buch des
Pfarrers Witt wörtlich angeführten Aussprüche zeigen, daß Therese eine echte
Frömmigkeit und einen klaren Verstand hat. Ihr besonderes Schicksal beginnt
mit einem Brande, der auf einem Gehöfte in der Nähe ihres Dienstherrn am
10. März 1918 ausbricht. Sie beteiligt sich wacker an den Löscharbeiten. Beim
Heraufreichen der Wasserkübel wird sie vollständig durchnäßt. So arbeitet sie
über zwei Stunden und fühlt sich noch nicht übermüdet. Dann heißt es wört-

1) Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, Bd. LXXVI1I, Heft 2/3.

2) Es kam leider nicht zu einer eingehenden Analyse des Falles. Für dahingehend
Interessierte sei bemerkt, daß der im Krankenhaus Operierte eine Vaterfigur
für den jungen Mann war. Außer dem Alter sprach dafür, daß jener den Vornamen
und den Beruf wie der Vater des jungen Mannes hatte.


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