http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0690
670 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)
des linken Fußes, nachdem Therese am Abend vorher Rosenblätter, die am Grabe
ihrer genannten Lieblingsheiligen geweiht worden waren, aufgelegt hatte.
Am 17. Mai 1920 kann sie von ihrem Lager aufstehen und mit fremder
Hilfe wieder gehen. Es ist der Tag der Heiligsprechung der kl. hl. Therese.
Als sie an diesem Tage nachmittags den Rosenkranz betet, erscheint ihr ein
weißes Licht und sie vernimmt eine Stimme. Die Stimme verspricht ihr eine
Freude, sie könne sich aufsetzen und gehen, aber sie dürfe doch noch viel leiden.
Therese versucht das Verheißene, und zum Erstaunen ihrer Umgebung kann
sie plötzlich wieder stehen und mit Unterstützung ein wenig gehen. Die vollständige
Heilung erfolgt, wieder unter Erscheinen der Stimme, am 3o. September
1925, dem Sterbetag der hl. Therese.
Zur Klarstellung muß hier hervorgehoben werden, daß in der Familie
Neumann ein Blatt gehalten wurde, welches der Verehrung der kl. hl. Therese
gewidmet ist. Es war demnach sicherlich an den betreffenden
Tagen die Tatsache der Selig- bzw. Heiligsprechung in der
Familie Neumann bekannt. Dieses zeitliche Zusammentreffen hat
also keine etwa zu vermutende parapsychologische Bedeutung. —
Im November 1925 muß sich Therese mit heftigen Leibschmerzen wieder
niederlegen. Am dritten Tage kommt der Arzt, stellt Blinddarmentzündung
fest und ordnet sofortige Operation an. Gerührt durch den Schmerz
ihrer Mutter, bittet Therese ihre Schutzheilige um Hilfe; eine Hand streckt
sich ihr entgegen, sie kann augenblicklich auf stehen und in die Kirche gehen ohne
die geringsten Schmerzen. Vor ihrem Gebet hatte sie auf die schmerzende
Stelle eine Reliquie — ein Haar der kl. hl. Therese, das ihr ein Geistlicher smm
Geschenk gemacht hatte — aufgelegt.
Der Beginn der Stigmatisation fällt in die Mitte der Fasten/eil 1926.
Eines Nachts sieht sie den Heiland im Garten am Oelberge vor sich. Sie empfindet
plötzlich einen heftigen Schmerz in der Seite — es ist die linke „direkt
über dem Herzen, dort wo das Herz schlägt1)" — und fühlt, wie etwas Heißes
herunterläuft. Es ist Blut. Bis gegen Mittag des nächsten Tages sickert es.
So geht es nun jeden Freitag. Den Eltern verheimlicht sie zunächst die Wunde.
Am Karfreitag 1926 entdecken die Eltern, um was es sich bei ihr handelt*.
An diesem Tage treten auch zuerst die Wunden an Händen und Füßen auf.
Therese weiß selbst nicht, zu welcher Stunde und wie sie entstanden sind. Zum
erstenmal schaut sie den Leidensweg Christi und vergießt blutige Tränen. Von
nun an wiederholt sich dieses Erleben jeden Freitag von 1 Uhr nachts bis gegen
Mittag2). Die Ekstase ist zeitweilig unterbrochen. Nicht immer sieht sie das
ganze Leiden, also auch Pilatus und die Geißelung, wohl ab"r immer den ganzen
Kreuzweg. Einzelheiten sieht sie anders, als es ihr von der Kirche aus bekannt
ist, z. B. besteht das Kreuz nur aus zwei Balken, die später zusammengebunden
werden. —
Am Freitag, den 19. November 192G erhielt sie auch die Sligmen der Dornenkrone
. Abends hört sie wieder „die Stimme'* und wird von einer „Verschleimung
** plötzlich geheilt.
Der Beginn der Stigmatisation in der Fastenzeit ist mit einem Leiden ver-
i) S. 183 des genannten Buches. S. 214 erfahren wir, daß die Seitenwunde
3,33 cm lang ist.
*) S. 207 wird 3 Uhr, S. 219 1/22 Uhr als Endstunde des Leidens angegeben.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0690