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676 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)
jedes psychische Geschehen einen parapsychischen Ueberbau hat; in diesen
Fällen jedoifch scheinen die gewöhnlichen Schranken gesprengt
zu werden und eine ,Jdee" im Sin nie einer über persönlichen
Wirklichkeit verkörpertsich unmittelbar. Dieser
Vorgang ist aber offenbar nur möglich, wenn ganz bestimmte auf die Idee
gerichtete Spannungszustände im Individuum vorhanden sind1). Analog hat
sich mir das auch bei der Analyse einiger telepathischer Phänomene sowie bei
der kritischen Würdigung des darüber veröffentlichten Materials ergeben2). Es
besteht ferner offenbar eine Wechselbeziehung zwischen einer Idee und ihren«
Trägern (man beachte diese Sprachbildung: ferner den Ausdruck, eine Idee
konzipieren, aufnehmen). AlleTräger einer Idee scheinen je nach
dem Grade ihrer Hingabe wieder der Wirkung dieser Idee
unterworfen zu sein. Das psychologische Analogon hierzu ist das „Einstellungsphänomen
'', d. h. man hat nur in der Richtung Erkenntnismöglichkeiten
, nach der man sich zunächst einmal widerstandslos einstellt. Das gilt
auch erfahrungsgemäß z. B. für die experimentelle Telepathie. Kritik hat die
Wirkung einer Schranke. Dies kann wohl jeder phänomenologisch bei sich
feststellen. (Natürlich muß nach gewonnener Erfahrung Kritik in
ihre Rechte treten.) In diesen Verhältnissen liegt der Schlüssel für manche
Erscheinungen auf parapsychologischem Gebiete (z. B. Versagen von Experimenten
, Unbelehrbarkeit mancher Kritiker). Das Problem des Widerstandes ist
übrigens ein Hauptkapitel der Psychoanalyse und bezieht sich hier auf die
Unmöglichkeit seelischer Tiefenerkenntnis nach jeder Richtung, solange der
betreffende Widerstand nicht überwunden ist. — Für die Annahme der Realität
überindividueller Kräftezentren, die mit der menschlichen Psyche „korrespondieren
" — unter den Psychoanalytikern waren- es zuerst Groddeck und Giese,
welche die Anschauung des überindividuellen Unbewußten aussprachen —,
treten seit einiger Zeit zwei Autoren ein, die von ganz anderer Seite, nämlich
der Erforschung des Pentateuchs, diese Ueberzeugung gewonnen haben, Oskar
Goldberg3) und Erich Unger4). Erstgenannter, der im Untertitel seine Schrift
bezeichnend: Einleitung in „das System" des Pentateuchs nennt, behandelt von
diesem Gesichtspunkt aus eine Fülle eines speziellen Materials, dem allerdings
oft nur ein guter Kenner des Hebräischen in den Einzelheiten folgen kann.
Jedenfalls dürften diese Probleme hier zum erstenmal in so eingehender und
4 kenntnisreicher Weise dargestellt worden sein.
Die Erscheinung der Verwirklichung einer „Idee" in einer tieferen Ebene
nennt man zweckmäßig „Korrespondenz"6) in Anlehnung an Swedenborg und
iyl Nur diese Seite der Phänomene untersucht die Psychoanalyse.
2) Erstmalig habe ich November 1924 in einem Vortrag in der Berliner ärztlichen
Gesellschaft für Parapsychische Forschung: „Parapsychologie und Psychoanalyse
" hierauif hingewiesen. Beispiel: Jemand erlebt ein echtes telepathisches
Phänomen, z. B. eine Todesanmeldung. Seine eigene Analyse ergibt starke Todeswünsche
für den Verstorbenen. (Vgl. Psych. Studien 1925, Heft 1, Seite 47.)
3) Die Wirklichkeit der Hebräer, Berlin 1925 (Verlag David).
4 Das Problem der mythischen Realität, Berlin 1926 (im gleichen Verlage).
5) Seit einigen Jahren tritt Fritz Henning (Berlin) abermals von einer anderen
Seite, eiaier besonderen Art der Raumforschung, kommend, in Vorträgen dafür ein,
der Korrespondenz als einer prinzipiellen Funktion der Wirklichkeit wieder Geltung
zu verschaffen. (Eine Veröffentlichung von ihm darüber soll demnächst erfolgen
.)
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