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684 Zeitschrift für Parapsychologie. 11. Heft. (November 1927.)
Zauberstab, das Anblasen und Anhauchen von Gegenständen unmittelbar vor
dem Effekt, scheinbare magnetische Striche usw. — Die wirksame Ablenkung
als eigentliche dramatische Kunst ist vielleicht eine der schwierigsten Aufgaben
der Zauberkunst.
Unter der Finte begreift man eine Art Vorspiegelung oder List, um die
Zuschauer auf falsche Fährte zu führen. Zum Teil bilden die Finten nur eine
Variation der Ablenkung. So z. B. wenn ein auf dem Tische liegender Zauberstab
ergriffen wird, um im gleichen Augenblick einen in der Hand verborgenen
Gegenstand in das Falloch oder in die Servante verschwinden zu lassen. Oder
es wird eine Pistole abgeschossen, um das Geräusch einer in Tätigkeit tretenden:
Mechanik zu übertönen, eventuell um die Blicke der Zuschauer auf sich zu
haften, damit irgend etwas inzwischen ungestörter besorgt werden kann. Aehn-
lich wie beim Forcieren der Karten spielt bei den Finten die gezwungene Wahl
eine Rolle. Der Zuschauer glaubt hierbei unter den ihm vorgelegten Gegenstanden
frei zu wählen, währenddem er doch den vorausbestimmten (meist
präparierten) Gegenstand in die Hände bekommt. Dabei ist es ganz gleichgültig
, ob er sich für den einen oder anderen entscheidet. Beabsichtigt z. B.
der Vorführende, daß von zwei Apfelsinen die präparierte (in der ein Gegenstand
versteckt ist) in die Hände des Zuschauers gelangt, so braucht er nur zu
fragen: wünschen Sie die rechts oder links?, um dann je nachdem es ihm paßt
„rechts" oder „links*' entweder auf den Zuschauer oder auf sich selbst zu beziehen
. Oder er kann fragen: welche von den beiden Früchten wünschen Sie?
Wird die präparierte gewählt, so legt man die andere auf die Seite. Wird die
unrichtige gewählt, so wird diese dem Zuschauer mit den Worten überreicht:
Sie wünschen diese, gut, Sie mögen sie behalten, es bleibt somit nur diese
andere zu meinem Experiment übrig — er zerschneidet die Apfelsine und holt
den verborgenen Gegenstand aus deren Innerem hervor.
Auf der Finte beruht auch der Trick, ein Kunststück absichtlich mißlingen
zu lassen, um dadurch die Möglichkeit zu erlangen, einen Gegenstand an einen
bestimmten Ort hinzuschaffen, wo derselbe zur nachherigen erfolgreichen
Durchführung des Experimentes notwendig hingehört, \om Zuschauer jedoch
dort nicht vermutet wird. —- Ein und dieselbe Finte darf in einer Vorstellung
nur einmal angewendet werden, damit sie nicht durchschaut wird.
In vielen Fällen beruht das Gelingen eines Zauberkunststückes lediglich
*auf geschickter Ausnutzung geläufiger Ideenassoziation. Man bedient
sich ihrer oft um glaubhaft zu machen, die zu einem Kunststück verwendeten
Gegenstände seien unpräpariert, währenddem sie tatsächlich präpariert sind.
Sehr leicht geschieht dies auf indirektem Wege, wobei eine der Wirklichkeit
nicht entsprechende Gedankenassoziation angeregt wird.
Will der Zauberer z. B. die Streichhölzer einer Schachtel in ein Seidentüchlein
verwandeln, wozu er einer Streichholzdose m i t erhöhtem Boden bedarf,
auf dem Streichhölzer aufgeklebt sind, so wird er 3er Dose zuerst ein eingeschobenes
freies Streichholz entnehmen, wodurch der Gedanke erzeugt wird,
auch die übrigen Hölzchen seien lose und die Dose überhaupt unpräpariert. —
Bei dem bekannten Verschwinden eines Seidentuches aus bloßer Hand, zu dem
man einen hohlen fleischfarbig bemalten Daumen mit einem kleinen aus demselben
hervorragenden Stückchen Seidentuch verwendet, wird durch dieses kleine
Stück das ganze Seidentuch vorgespiegelt. Dieser Apparat liegt in der rechten
Hosentasche des Vorführenden. Nun zeigt er das Tüchlein, das \crschwinden
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