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Sichler: Ueber magische Tricks u. die Nachahmung okkulter Phänomene. 685
soll, ostentativ vor, ballt es zusammen, legt es scheinbar in die freie "Hand,
behält es jedoch in der rechten zurück, bringt diese Hand auffällig in die rechte
Hosentasche, das Tüchlein da hineinsteckend, und zwar oben, wo diese an die
Hose angenäht ist. Die Zuschauer, die dies natürlich merken, protestieren,
worauf der Vorführende sich als ertappt erklärt und scheinbar das Tuch, tatsächlich
jedoch den hohlen Daumen mit dem Seidenzipfel hervorholt, nur diesen
letzteren sehen lassend. Infolge Gedankenassoziation glauben die Zuschauer
nun das vorher geschaute Tüchlein zu sehen. Jetzt wird der Zipfel in den
hohlen Daumen gestopft und dieser über den wirklichen Daumen gestülpt,
worauf die Hand als leer vorgezeigt werden kann. Die Hosentasche kann zur
Kontrolle getrost herausgezogen werden, da der Seidentuchballen oben an der,
Hosentaschennaht anliegt und nicht herausfällt.
Auf Ideenassoziation beruht auch das frappante Messerverschlucken, bei
dem der Vortragende, am gedeckten Tische sitzend, unter dem Schutze der ausgestreckten
Hände, die Fingerspitzen aneinander legend, ein Tischmesser zum
Munde führt, um es angeblich zu verschlucken. Befindet sich das Messer knapp
vor dem etwas geöffneten Munde, so zieht er die Hand, welche die Klinge verdeckt
weg, damit man das Messer sieht, dabei stellt er sich, als ob er Mut fassen
müsse, die gefährliche Handlung auszuführen. Er legt das Messer nochmals auf
den Tisch, läßt es nun aber diesmal, sobald es an der Tischkante angelangt ist,
in den Schoß fallen und führt die letzte Phase nur noch mit leeren Händen
aus, das Messer scheinbar in den Mund schiebend und mühsam hinunter würgend.
Die gleichen Manipulationen verführen zu gleichen Gedankenverbindungen,
wodurch die Täuschung zustande kommt.
Als letztes Hilfsmittel sei die Verheimlichung des ausschlaggebenden
Momentes erwähnt, mittels dessen die Entdeckung einer geheimen
Manipulation verunmöglicht werden soll. Der Trick wird danach nicht
in dem Augenblick ausgeführt, in welchem ihn die Zuschauer erwarten, sondern
je nachdem vorher oder nachher. Beispielsweise wird er sich hüten, die Volte zu
schlagen, sobald die Karten in das Spiel zurückgelegt sind, weil dies schwerlich
der Aufmerksamkeit der Zuschauer entgehen würde; er wird damit warten
müssen, bis das Interesse anderswo fixiert ist. — Bei irgendeinem Kunststück
zählt er auf drei, führt den Trick jedoch schon bei eins oder zwei aus; die Aufmerksamkeit
des Zuschauers konzentriert sich dann auf ,,drei", wo es bereits
nichts mehr zu entdecken gibt. — Ueberhaupt gilt es als Regel, zunächst die
nötigen Manipulationen auszuführen und erst nachher Kommandoworte folgen
zu lassen. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird durch diese zeitliche Verheimlichung
völlig irregeleitet. Aus demselben Grunde soll der Zauberkünstler
auch nicht vorher ankündigen, was geschehen soll, damit das Publikum nicht
Zeit findet nützliche Ueberlegungen anzustellen.
Die Nachahmung okkult-physikalischer Vorgänge.
Ein Trick und mag er noch so verblüffend und unfaßlich sein, ist eben
stets ein Trick, d. h. eine Täuschung unserer Sinne mit natürlichen Mitteln.
Kein Taschenspieler vermag zu hexen. Daß man normalerweise nicht aus dem
Nichts etwas entstehen lassen kann, ist ebenso klar, wie daß man Gegenstände
nicht trickmäßig aus der Welt schaffen kann. Irgendwo müssen die betreffenden
Gegenstände vorher oder nachher vorhanden sein. Ebensowenig kennen
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