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Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (Dezember 1927.)
„Lieber Vater Schneiderl
Ich habe den Lügenartikel von Vinton in der Münchener Illustrierten
Zeitung gelesen und bin enttäuscht über das Vorgehen dieses Mannes, der
wirklich kein Gentleman ist. Ich wohnte zwei Sitzungen mit diesem
Herrn bei. Das erstemal saß ich an der Seite, wo sich die Kommode und der
hohe Stehkasten (Vertikow) sowie das Medium befanden. Die Sessel waren ganz
an dieses Möbelstück angelehnt (also mehrere Stühle hintereinander! Der Verfasser
.), und zwar so, daß nicht der geringste Zwischenraum bestand. Einen
Akrobaten, der über den Stehkasten, worauf sich die
Leuchtuhr, Photographien und Nippesgegenstände befinden
, hinwegturnen kann, gibt es nicht. Denn alle diese Gegenstände
müßten bei der leisesten Berührung herunterfallen. Es kann von dieser
Seite ein Helfershelfer keinen Zutritt finden.
Was einen evtl. Zutritt von der Mitte des Zirkels anbetrifft, so
kann ich mit Bestimmtheit folgendes angeben: Die Begleitdame des Herrn Vinton
, die er als seine Frau vorstellte, führte die Kontrolle, ich saß neben ihr,
Vinton dagegen auf dem gegenüberstehenden Sofa, und zwar am Ende gegen
den Vorhang zu. Er hatte Bleistift und Protokoll zu Hand, in welches er stets
die von der Begleitdame geübte einwandfreie Kontrolle, die
sie des öfteren hervorhob, sowie die Erscheinungen eintrug. Das Rotlicht
beleuchtete den Innenraum noch so hell, daß man alle Vorgänge im abgeschlossenen
Zirkel räum deutlich wahrnehmen konnte. Nach meiner Ansicht
könnte unter diesen Umständen weder ein Zirkelteilnehmer noch ein Familienmitglied
der Schneiders die Kühnheit besitzen, um von dieser Seite hinter den
Vorhang den Weg zu suchen. Einer solchen Blamage setzt sich doch niemand
aus, weil er sofort ertappt werden müßte.
Die beiden englischen Besucher benahmen sich tierart aufgeregt durch
Schreien usw., daß ich von der zweiten Sitzung an mir vornahm, nicht mehr zu
erscheinen, solange Vinton den Sitzungen beiwohne. Es verbrei'et sich jetzt
das Streben, alle Phänomene durch Schwindel zu erklären. Aber bei einem
einigermaßen aufmerksamen Studium solcher an den Haaren herbeigezogener
Erklärungen wird man als Okkultist gerade erst recht die
Echtheit der Phänomene bestätigt finden. Dieser Vinton macht seiner
Nation keine Ehre, weil er nicht den Mut aufbrachte, gleich ein offenes
Wort zu sprechen, sondern vom Hinterhalt aus angriff. Mit den besten
Grüßen an die ganze Familie Schneider Ihr ergebener Fürlinger."
Die Persönlichkeit des Herrn Warren Jay Vinton.
Es ist im allgemeinen nicht üblich, persönliche Momente in eine wissenschaftliche
Diskussion einzufügen. Wenn aber der Angreifer dieses Mittel ausgiebig
benutzt, beleidigende Aeußerungen über ein/ein*» Teilnehmer des
Braunauer Zirkels veröffentlicht und ohne irgendeinen schlüssigen Beweis den
ganzen Zirkel als eine Gruppe von Schwindlern hinzustellen sucht, so besitzt
iie Verteidigung gegenüber einer solchen Ehrabschneidung das gute Recht,
Tatsachen aus dem Verhalten des Herrn Vinton mitzuteilen, soweit sie zum Verständnis
des Ganzen beitragen, trotz ihres persönlichen Charakters.
Der ausländische, außerordentlich jugendlich ausgehende Gast war bis dahin
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