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722 Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (Dezember 1927.)
Hotelzimmer untergebracht, aber polizeilich nicht gemeldet. Das Dienstpersonal
erhielt die Weisung, die Betten wie bei einem Ehepaar zusammenzuschieben.
Aber damit nicht genug. Dieser junge Springinsfeld war dann unverfroren
genug, während seines ganzen Braunauer Aufenthaltes Miß Helen Augur
die Rolle seiner Gattin spielen zu lassen.
Nicht nur, daß sie unter dieser Bezeichnung sämtlichen Personen vorgestellt
wurde, sondern sie hat auch die regelmäßigen Eintragungen in das für spätere
Veröffentlichungen bestimmte Protokollbuch Schneiders als Mrs. W. J. Vinton
unterzeichnet, so am 9., 10., 12., 16., 18. und 19."August 1926.
Wir begnügen uns, aus dem Schneiderschen Protokoll mit der Wiedergabe
einer einzigen Notiz der Miß Augur. Dieselbe lautet:
10. August 1926: „Ich kontrollierte Willy während des zweiten Drittels der
Sitzung. Starke Vorhangbewegungen. Eine Hand erschien, manipulierte mit dem
Taschentuch und dem Tamburin. Weitere, noch bemerkenswerte Phänomene.
gez. Mrs. W. J. Vinton.4'
(Von Miß Augur geschrieben.)
Es liegt hier also nicht nur eine Falschmeldung vor, sondern auch das
\ergehen einer privaten Urkundenfälschung, welches in Deutschland
mit Gefängnis bestraft wird.
Sicherlich würde man der Luslreise des jungen Engländers
Verständnis entgegenbringen und dieselbe als einen Jugendstreich auffassen,
wenn Herr Vinton nicht seiner Pseudogattin die Rolle einer maßgebenden
Beobachterin paraphysischer Phänomene zu wissenschaftlichen
Zwecken übertragen und wenn seine Keckheit ihn nicht veranlaßt
hätte, auch mir gegenüber diese hochstaplerische Rolle weiter zu spielen.
Ich mußte wirklich der Meinung sein, daß es sich um die Herrn Vinton
gesetzlich angetraute Gattin handle. In dieser Voraussetzung lud ich das junge
Paar ein, in meinem Automobil mit mir nach Salzburg zu den Festspielen zu
fahren und später im Hotel „Europäischer Hof" mit mir zu soupieren.
Ein Teil der bei dieser Gelegenheit stattgehabten Konversation findet sich in
völlig entstellter Wiedergabe in Vintons Bericht. Denn ich selbst habe niemals
eine Sitzung mit Eusapia Paladino gehabt, in welcher Wachstafeln auf eine Entfernung
von drei ^ards beschrieben worden sind, wie es Vinton behauptet.
Außerdem widerspricht es vollkommen der Wahrheit, daß ich
^jemals bei der Eusapia Paladino Dematerialisationen von Gliedern beobachtet
hätte, wie es in seinem Bericht heißt.
Die vorstehenden Hinweise dürften ausreichen zu schweren Bedenken gegen
die Zuverlässigkeit und Forscherqualität dieses Pseudoehepaars,
denn auch im Bericht selbst finden wir eina ganze Reihe von Unrichtigkeiten,
von Verdrehungen des Tatbestandes, tendenziösen Entstellungen und freien Erfindungen
.
Vor allem aber sind diese angeblichen Enthüllungen, deren Haltlosigkeit im
Vorstehenden nachgewiesen wurde, in keiner Weise geeignet, Forschungsresultate
, die von mehreren Hundert gelehrten und nicht gelehrten
Zeugen neun Jahre hindurch mit den verschiedensten Versuchsbedingungen
in München, Wien, London, Zürich, Prag und Braunau festgestellt
, nachgeprüft und bestätigt worden sind, im geringsten zu entwerten,
Das hätte gerade noch gefehlt! Ein junger, unreifer, auf dem Gebiete der
Parapsychologie praktisch und theoretisch unerfahrener Ausländer, der keines-
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