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\. Schrenck-Notzaig: Vintons Entlarvung der Braunauer Medien. 723
wegs, wie die deutschen Kommentare behaupten, Mitglied der S, P. R. ist,
braucht nur nach Braunau zu reisen, um nach einigen Sitzungen mit Willy und
Rudi Schneider den inländischen Gelehrten mit überlegener Miene zu zeigen,
wo und wie sie in diesen Untersuchungen gefehlt haben und wie sie trotz eines
jahrelangen Studiums das Opfer der allersimpelsten und plumpsten Tricks
geworden seien. Mit anderen Worten: Wir, die wir uns dieses wichtige Gebiet
zum Lebensstudium gemacht haben, sind nach Vintons Auffassung* offenbar
blöde Trottel, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen — aber er,
der junge Mann aus London, fühlt sich berufen, nach einer oberflächlichen
Berührung mit dem Forschungsgegenstand unsere mühevollen Unter-
Eichungen in echt journalistischer Aufmachung ad absurdum zu führen durch
eine eigene, auf zehn Sitzungen beschränkte Versuchsreihe!
Eine ungeheuerliche Anmaßung, die gar nicht scharf genug
zurückgewiesen werden kann, ein grober Vertrauensmißbrauch,
ein für den ausländischen Gast durchaus unangemessenes Benehmen,
ganz abgesehen von den sachlichen Mängeln in der fast in allen Hauptpunkten
verfehlten Beweisführung!
Mit diesen Blüten des Geistes und Charakters hat Herr Warren Tay Vinton
seinen Ruhmeskranz als Fntlarver geschmückt.
Die deutschen Kommentare.
Wie vorauszusehen, haben unsere Gegner sich die günstige Gelegenheit nicht
entgehen lassen, den Vintonschen Bericht für eine antiokkultistische journalistische
Propaganda zu verwerten. Den Reigen eröffnet Dr. Rosenbusch mit
einem Artikel in der „Münchner Illustrierlen Presse" Nr. 37, 19^7, betitelt:
.,Die Medien von Braunau".
Ihm folgte Graf Klinkowström mit einer längeren Besprechung des englischen
Aufsatzes in der „Zeitschrift für kritischen Okkultismus" Bd. III,
Heft 1, ferner mit einer Arbeit „Die Krise im Okkultismus" im Literatur- und
Unterhaltungsblatt der „Kölnischen Zeitung" Nr. 620, 1927, in welchem sich
das letzte Drittel auf den Vintonschen Bericht bezieht. ■— Wörtlich derselbe
Artikel erschien in der Beilage der „Neuen Freien Presse" am 2. Oktober 1927
mit der veränderten Aufschrift „Entlarvte Medien". Da die einzelnen Teile
schlagwortartige Ueberschriften bekommen haben, so werden die meisten Leser
kaum wissen, daß es sich um einen Zweitdruck handelt, d. h. um die wörtliche
Wiedergabe einer bereits früher erschienenen Abhandlung. Zum drittenmal
wurde dem deutschen Leserpublikum dieses Referat von Klinkowström in der
„Deutschen Allgemeinen Zeitung" serviert (ebenfalls wörtlich als: Krise im Okkultismus
1. Nov. 1927). Eine solche geschäftlich-journalistische \usbeutung,
nicht etwa eines Originalaufsatzes, sondern eines von andern übernommenen geistigen
Eigentums, die außerdem durch Verbreitung unwahrer Talsachen geeignet
ist, den Forlschritt der Parapsychologie zu hemmen — scheint mir mit
ernster wissenschaftlicher Arbeit unvereinbar zu sein.
INach Graf Klinkowström haben die „Braunauer mediumistischen Festspiele"
ihr Ende genommen. Gewiß, aber nicht, wie er annimmt, wegen der angeblichen
Vintonschen Entlarvung; sondern weil das Medium Rudi Schneider nunmehr
seine Heimat verlassen hat. um in einer Großstadt sich in der Automobilterhnik
ausbilden zu lassen.
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