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Sichler: Ueber magische Tricks u. die Nachahmung okkulter Phänomene. 729
Tür, und außerdem, daß es zu beiden Seiten des .Schrankes die Hände heraus-
streckl: oder al)er es ist unsichtbar eingeschlossen, aber dann an Händen und
Füßen gefesselt. Es werden nun alle möglichen Gegenstände in den Schrank
hineingebracht, wie z. B. eine Schreibtafel, ein Blumenkörbchen, ein Tamburin
, eine Glocke usw.
An«( blich beginnen nun unsichtbare Geister unter dem Einfluß des Men-
diums ihre geheimnisvolle Tätigkeit: die Schreibtafel wird beschrieben, ja es
werden sogar schriftliche Antworten auf Fragen erteilt; das Körbchen wird mit
Blumen gefüllt, das Tamburin wird gespielt, die Glocke geläutet usw., kurz, es
entwickelt sich ein Lärm, ärger als bei einem Hexensabbat. Indessen erklärt
sich der Spuk ganz einfach dadurch, daß zwei der gedrehten Füße, auf denen
das Kabinett steht, hohl sind, und daß ebenso im Podium, jenen Füßen entsprechend
, zwei Löcher gebohrt sind. Eine Dame mit recht dünnen Armen,
unter dem Podium, greift durch die hohlen Füße, und besorgt alles, was zu tun
ist. Selbstredend wird alles mit so viel dramatischem Geschick ausgeführt, daß
die suggerierte Täuschung eine vollendete ist und kein Mensch an eine Hilfe
von unten denkt.
In London wurde während mehreren Jahren von Maskelyne and Cooke
mit vielem Erfolg ein ähnliches Experiment vorgeführt. Ueber zwei Böcke
wurde eine Glasplatte gelegt. Hierauf wurde aus drei einzelnen leichten Wänden
ein kleines Kabinett auf die Glasplatte aufgebaut, das vorn durch einen in
der Mitte geteilten Tuchvorhang geschlossen werden konnte. Oben war das Kabinett
offen. Wie bei den anderen Geisterschränken, legle man auch hier alle
möglichen Gegenstände hinein und alsbald entstand ein Höllenlärm. Wurde der
Tuchvorhang geöffnet, so waren die Gegenstände verschwunden und alles leer.
In diesem Fall war es ein sehr kleiner Zwerg, der hinten an der Rückwand lag
und den ganzen Spuk verursachte. Die Rückwand selbst war in Felder eingeteilt
, von denen eines mit Scharnieren versehen, und wie eine Tür geöffnet
werden konnte.
Zu wenig bekannt ist es, daß die Knüpfung und Lösung von
Knoten eine ganz besondere Schulung und Kunstfertigkeit erheischt, die in
der Magie eine große Rolle spielt. Den gefesselten Körper oder einzelne gebundene
Glieder rasch und bequem aus der Fesselung zu lösen und ohne auffällige
Spuren der Selbstbefreiung wieder anzulegen, ist eine Kunst, die auf
eingehender Kenntnis der Knotenleehnik beruht. Die Möglichkeit, sich aus
zum Teil recht komplizierten Fesselungen zu befreien, hatte seiner Zeit bei der
Inszenierung von spiritistischem Schwindel eine gewisse Bedeutung erlangt.
Man versuchte nämlich die anscheinend wunderbare Tatsache, daß ein gefesseltes
Medium doch freie und fernwirkende Handlungen vornehmen konnte,
als einen besonderen Beweis übernatürlicher Vorgänge darzustellen und mit
der Hypothese der „Durchdringung der Stoffe" in Beziehung zu bringen. Zumeist
handelte es sich dabei um ganz simple Tricks.
So verstanden es gewisse Pseudomedien, sich jhrer soliden Handgelenkfesselung
zu entledigen, um irgendeinen Geisterspuk zu imitieren. Sie hielten
nämlich auf dem Rücken, im Futter der Weste, eine kleine Schere verborgen,
mit der sie die eine der doppelten Umwicklungen an einer Hand durchschnitten.
Beide Hände waren dann frei. Schwieriger war es, die durchschnittenen Enden
wieder so um das Handgelenk zu wickeln, daß man den Kniff nicht entdeckte.
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