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732 Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (De/ember 1927.)
schließt mit einem Schlage zu. Er bringt sie nach vorne und läßt das äußerste versiegeln
. Nun ersucht er den Zieher der Karte, an diese zu denken, reicht ihm die
Hand und schwatzt etwas von Gedankenübertragung. Sofort nimmt er das gemischte
Spiel wieder an sich. Angenommen, es sei Herz 7 gezogen worden, so sucht
er nun rasch die Herz 8 heraus, bedeckt das eine der beiden mittleren Augen mit
dem Daumen und präsentiert sie dem erstaunten Zuschauer als seine gezogene
Karte. Er steckt die Karte ins Spiel zurück und behauptet, daß durch Zaubermacht
die Karte nun ins verschlossene Kuvert hinübergewandert sei, was beim Oeffnen des
Kuverts tatsächlich der Fall scheint.
Weiter sei hier noch ein Kunststück von Okito, die unsichtbare Reise einer
Taube, erwähnt. Zu diesem effektvollen Kunststück verwendet der Künstler einen
in Nickel gefaßten Glaskasten; dieser ist mit einem Deckel versehen. Nachdem
der Künstler den Kasten vorgezeigt hat, stellt er ihn auf einen Stuhl. Hierauf zeigt
der Künstler einen ähnlichen, jedoch aus Holz gefertigten Kasten. Zum Aufhängen
befinden sich noch an beiden Seiten Ringe. Er ergreift eine Taube und legt sie in
den Kasten, worauf er diesen aufhängt. Jetzt ergreift er eine Pistole und schießt
diese gegen den Kasten ab. Dieser fällt in ein Kreuz auseinander und die Taube ist
spurlos verschwunden. Der Künstler feuert einen zweiten Schuß gegen den Glaskasten
, welcher nach wie vor auf dem Stuhle steht, und die Taube erscheint in dem
Kasten und fliegt beim Oeffnen auf die Hand der Assistentin.
Erklärung: Die Wände des hölzernen Kastens sind mit Scharnieren versehen,
die durch einen Zug auseinanderfallen. Zum Verschwinden der Taube ist die Rückwand
mit einer drehbaren Scheibe versehen, an der sich ein Einsatz befindet, in
welchen der Künstler die Taube hineingibt. Der Boden des Glaskastens ist auch
präpariert, in dem sich ein Boden aus zwei Teilen beim Schräghalten übereinander-
schiebt und so eine Oeffnung bildet. Die zweite Taube ist im Stuhlsitz in einem
Beutel angebracht, der durch eine Vorrichtung sich automatisch öffnet, sobald
der Künstler eine versteckt angebrachte Auslösung betätigt. Durch den geöffneten
Boden des Glaskastens gelangt sie ohne weiteres in denselben.
Anschließend an die Nachahmung physikalischer Phänomene sei hier noch
diejenige des Blutschwitzens oder der Stigmatisation kurz erwähnt.
Unter Stigmatisation versteht man das Erscheinen der Wundmale Christi, \*ie
z. B. bei Franz \on Assisi Katharina Emmerich, Louise Lateau usw. Wahrscheinlich
wird die Stigmatisation durch autosuggestive oder kryptopsychische
Prozesse hervorgerufen.
Chemisch lassen sich diese Blutungen täuschend nachahmen, indem man
die Haut mit einer Lösung von Eisenchlorid, oder besser noch von schwefelsaurem
Eisenoxyd einreibt, was absolut keine sichtbaren Spuren hinterläßt.
Hierauf besprengt man die betreffenden Stellen mit der sehr verdünnten Lösung
des Rhodankaliums (was mittels eines Weihwedels geschehen kann), und
Sofort tritt in auffallender Weise eine höchst intensive „scheinbare Blutung*
ein. — Der Vorgang beruht auf der Umsetzung des Rhodankaliums mit der
Eisen\erbindung; es entsteht lösliches Eisenrhoda nid, das sich durch seine
intensive, rein blutrote Farbe auszeichnet.
Zu den physiologischen Kunststücken gehört auch das willkürliche Anhalten
bzw. Aussetzen des Pulses, das manchmal sogar von Aerzten für
echt gehalten wird. Man bittet, den Zuschauer, er möge einem beim linken
Handgelenk den Puls fühlen und die Pulsschläge laut zählen. Es zeigt sich, daß
der Puls willkürlich ausgesetzt werden kann. Der Trick ist einfach genug. Man
bringt ein metallenes Zigarrenetuis, einen Apfel oder etwas ähnliches in die
Achselhöhle und drückt den Arm fest an den Körper, wodurch die Blutschlagader
komprimiert wird und die Pulstätigkeit im betreffenden Arme aussetzt.
Lm den Effekt zu erhöhen, gibt sich der Vorführende den Anschein innerer
Anstrengung und mimt mit der rechten Hand etwas vor, das irgendeine geheimnisvolle
Einwirkung vortäuschen soll. (Dr. J. v. Ries-Bern.)
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