http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0759
Sichler: Ueber magische Tricks u. die Nachahmung okkulter Phänomene. 739
von einem Zuschauer halten. Die Kette sieht unter dem Tuche hervor, so daß die
Zuschauer sich immer vom Vorhandensein der Uhr überzeugen können. Hierauf
läßt der Vorführende aus einem Kartenspiel eine Karte ziehen und diese, ohne daß
er das Bild derselben sieht, vom Zuschauer aufbewahren. Sodann läßt er von vier
Personen 4 vierstellige Zahlen auf einen Notizblock aufschreiben und von einer
fünften Person, um deren Namen er bittet, addieren. Ist dies geschehen, so ersucht
man den Zuschauer, der die Uhr in Händen hält, die Schale derselben zu öffnen
und die Schrift, die auf dem Zettel, der zum Vorschein kommt und das Resultat
der vier Summen, die gezogene Karte und den Namen des addierenden Herrn enthält
, laut vorzulesen. Es erweist sich, daß die Schrift mit dem Gesehenen vollständig
übereinstimmt.
Hierzu benötigt man erstens ein Spiel aus lauter gleichen Karten, insofern man
sich nicht auf das Kartenforcieren versteht, zwei ens einen Papierblock, auf dessen
unterstem Blatt (auf der Innenseite) 4 vierstellige Zahlen mit verstellter Hand geschrieben
sind und drittens ein Zettelchen, auf dem die Antworten stehen.
Der Vortragende schreibt die zu wählende Karte, das Resultat der Addition
und den Namen eines Bekannten im Zuschauerraum auf das Zettelchen, das
er in der Hand verb rgt. Er läßt ein Seidentuch prüfen, erbittet sich eine Herrenuhr
samt Kette und bringt die Uhr unter das Seidentuch, das er mit der Uhr und
Kette einem entfernt sitzenden Zuschauer zum Halten übergibt. Während des
Ganges zu diesem, öffnet er unter dem Seidentuch mit dem rechten Daumennagei
die Schale der Uhr, legt das Zettelchen in die Uhr und schließt die Schale wieder zu.
Hat er die Uhr zum Halten übergeben, so läßt er von einem Zuschauer eine Karte
forciert ziehen und diese'be vom Ziehenden aufbewahren. Dann überreicht er vier
Zuschauern nacheinander den Notizb'ock und läßt diese 4 vierstellige Zahlen auf«
schre ben. Ist dies geschehen, so reißt er scheinbar das Blatt ab und gibt es dem
Zuschauer, dessen Name er kennt. In Wirklichkeit reißt er aberzieht dieses Blatt
ab, sondern er dreht den Block unbemerkt um und reißt das präparierte Blatt ab,
das er dem ihm bekannten Zuschauer zum Addieren überreicht. Hierauf gibt er vor,
das Resultat der Addition, den Namen derjenigen Person, die die Rechnung ausgeführt
, sowie die Bezeichnung der gezogenen Karte in die Uhr hinübartelegra-
phieren zu wollen. Er butet den Zuschauer, die Uhr zu öffnen und laut vorzulesen,
was auf dem Zettel, der in ihr zum Vorschein kommt, geschrieben steht. Karte,,
Resultat und Name des Zuschauers, der die Addition ausgeführt, werden genau
stimmen.
Der Trick ist deshalb besonders gut, weil das Zettelchen mit den Antworten
sich schon an seinem Bestimmungsort befindet, bevor die Zuschauer wissen, was
eigentlich geschehen soll, so daß der uneingeweihte Zuschauer höchst erstaunt
ist und sich die Sache in keiner Weise zu erklären vermag.
Als Nachahmung eines okkult-intellektuellen Vorganges erwähne ich noch
folgendes. Dem Okkultisten ist es nicht unbekannt, daß von jeher Mystiker
und auch profane Leute in gewissen Momenten oder Zuständen eine unvergleichlich
schöne Musik aus höheren unbekannten Sphären hören sollen, die zuweilen
auch für andere Leute vernehmbar sei, z. B. an Sterbebetten. Auch
diese Sphärenmusik, wie sie genannt wird, wurde in raffinierter Weise
nachzuahmen versucht. Ich glaube, es war der Psychologe Reinhold Gerling,
der in einem in Bern gehaltenen Vortrage berichtete, daß er Gelegenheit hatte,
mit einem solchen Schwindler zusammen zu kommen. Derselbe genoß bereits
einen gewissen Ruf unter gläubigen Spiritisten, als er sich einmal von einigen
Herren, worunter auch Gerling, genauer untersuchen ließ. Trotzdem er hei der
Untersuchung völlig unbekleidet war, hörte man eine leise Musik ertönen und
zwar immer dann, wenn er schief zurücklehnend auf einem Stuhle saß, so daß
er mit dem Gesäß mehr auf der anderen Soifce des Stuhlsitzes ruhte. Die Sache
schien mysteriös und unerklärlich, als plötzlich Gerling beim Dahinschreiten
der Versuchspe son ein Stück Lappen bemerkte, der ihr aus dem Rectum herabhing
. Flugs zog er an dem Lappen und siehe, es kam ein, in einen eingefette-
47*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0759