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Ludwig: Ohne ehr stliche Mystik k. Lösung d. Rätsels v. Konnersreuth. 747
hard von Clairvaux, Hugo von St. Viktor, Bonaventura, Dionysius dem Kar-
thäuser, Katharina von Siena, Katharina von Genua, Theresa von Jesus, Johann
vom Kreuz, Ignatius von Loyola, Meister Ekkehart, Suso, Taular, Hildegard
von Bingen und unzähligen anderen. Sie alle erlebten als etwas sehr Reales
die mystische Gotteinigung, und viele von ihnen suchten ihre seelischen Erlebnisse
systematisch darzustellen. Aus dem Studium der christlichen Mystik ergibt
sich dann sogleich der wes3ntliche Unterschied zwischen ihr und der Magie,
bzw. dem Fakirismus. Gerade weil Undirhill nicht auf katholischem Standpunkt
steht, zitiere ich um so lieber ihre Worte, weil sie zeigen, wie tief
die englische Verfasserin in dies schwierige Gebiet eingedrungen ist und wie
ihre Resultate mit dem katholischer Forscher im wesentlichen übereinstimmen1
). „Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden ist dieser:
Die Magie will haban, du Mystik will gaben, zwei weit entgegengesetzte Haltungen
, die in verschiedenen Formen immer und überall wiederkehren. Beide,
sowohl die Magie wie dia Mystik, setzen, wo sie zur vollen Entwicklung gelangt
sind, den ganzen geistig3n Mechanismus, sowohl den bewußten wie den unterbewußten
, für ihr Unternehmen in Aktion. Beide behaupten, daß sie in ihren
Eingeweihten Kräfte erzeugen, von denen gewöhnliche Sterbliche nichts ahnen.
Allein der Mittelpunkt, um den jener Mechanismus geordnet wird, die Gründe
ihres Unternehmens und die Zwecke, zu denen jene angewandt werdan, sind
ungeheuer \eischieden. In der Mvstik vereinigt sich der Wille mit dem Gefühl
in dem leidenschaftlichen Verlangen, über die Sinnenwelt hinauszukommen,
damit das Selbst in Liebe eins werde mit dem einen, letzten und ewigen Gegen-
sland der Liebe, dessen Dasein ... intuitiv wahrgenommen wurde ... In der
Magie vereinigt sich dar Wille mit dem Intellekt im leidenschaftlichen Verlangen
nach übersinnlicher Erkenntnis ... offenbar der gerade Gegensatz zur
Mystik, wenn sie auch oft deren Namen und Ausdrucksform annimmt." — Das
Z'el dieser Magie ist immer die Selbstsucht, die absichtliche Steigerung der
Willenskraft, um etwas für sich selbst zu erlangen. Dagegen die Mystik ist
nicht individualistisch. Man könnte in gewissem Sinn von einer Aufhebung der
Individualität mit ihrem starren „ich, mein, dein* reden, die aus dem Menschen
ein isoliertes Ding macht. Sie ist ein Bestreben des Herzens, die Grenzen des
individuellen Standpunktes zu überschreiten und sich der endgültigen Wirklichkeit
hinzugeben, nicht um persönlichen Gewinn, nicht um irgendjine h-anszeu-
dentale Neugierde zu befriedigen, sondern einzig aus dem Instinkt der Liebe.
„Der Mystiker ist in Liebe zum Absoluten entbrannt, nicht in müßiger und
sentimentaler Schwärmerei, sondern in dem tiefen und lebendigen Gefühl,
das vorwärtsdrängt um jeden Preis und durch alle Gefahren hindurch zur
Vereinigung mit dem Geliebten." Beim Mystiker ist diese Vereinigung bewußt,
persönlich und vollkommen. Je nach seinem Grad hat er mehr oder weniger
das wesenhafte Sein der Gottheit berührt. Man wende nun diese prinzipiellen
Darlegungen auf das Leben der einzelnen Mystiker an, und man wird sie hier
bestätigt finden. So möchte ich z. B. aufmerksam machen auf das Buch von
Mühlbauer „Schwester Maria Fidelis Weiß" (Verlag der Salesianer in München
1926). Dieses Leben zeigt auf das klarste die typischen Entwicklungs-
x) Ueber das Wesen der katholischen Mystik unterrichtet sehr gut die Schrift
von Ricbstätter, S. L, „Mystische Gebetsgnaden", Tyroliaverlag, Innsbruck 1924.
Hier wird als Wesen der christlichen Mystik bezeichnet „die übernatürliche Gemeinschaft
mit dem Wesen Gottes, die man durch Erfahrung kennen lernt.
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