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Ludwig: Oh<ne christliche Mystik k, Lösung d. Rätsels v. Konnersreuth. 749
züge, sich findet. Meines Erachtens hat Zahn das Richtige getroffen, wenn er
(S. 488) meint, die Stigmata führten ja im Leben des Mystikers kein isoliertes
Dasein. Mir scheint, daß, wenn die Seele des Mystikers in innigster Gottgemeinschaft
steht, Seele und Körper in Augenblicken intensiver innerer Erhebung in
ihre bisherigen engen Grenzen nicht mehr eingesch.os en bleiben, daß bich in der
Seele Kräfte regen, die sonst latent bleiben, daß sie helliehcnd und hellfühlend
wird, wie dies dem Geiste an sich zukommt, sobald er der Hemmung der Sinne
sich momentan entzieht und daß diese seeÜ3che Erhebung sich auch auf das
Körperliche auswirkt, sei es durch Levitadon oder Stigmenbildung, Nahrungs-
losigkeit und ähnliches. Dabei sind natürliche Dispositionen nicht ausgeschlossen
. Ich habe auf diese in meinem Artikel „Stigmatisation" im Kirchlichen
Handlexikon von Dr. Buchberger in eingehender Darlegung hingewiesen,
aber nicht unterlassen hervorzuheben, daß eine eigentliche Stigmatisation nur
innerhalb der katholischen Kirche bei solchen Personen sich fand, die in
innigster Glaubens- und Liebesgemeinschaft mit Christus, sowie auf der Stule
hoher sittlicher Vervollkommnung standen. Darauf ist der Nachdruck zu
legen. Das hat sehr richtig auch der Schriftbiter der Zeitschrift „Das neue
Licht" (Wien) F. Schöffel gesehen, wenn er sagt („Der Ruf aus Konnersreuth
'* 6. Jahrg., Heft 17—18): „Die Macht der Liebe zum Heiland ist der
Urgrund des „Wunders", das indirekte Wirken Gottes. Die Imaginationskraft
ist erst die sekundäre Wirkung ... eine Stigmatisation konnte man auf experimentellem
Wege nicht erzielen trotz vieler Versuche. Man kann eben nicht
göttliche Liebe suggerieren, wo die begnadete Psyche fehlt" *). — Vorgänge in
Konnersreulh, wie die plötzliche Heilung der eiternden Fuß wunde (vgl. Witt,
a. a. 0. S. 81 ff.), die Kenntnis der aramäischen Sprache durch ein Dorfkind,
die Lebensmöglichkeit bei völliger Nahrungsloslgkeit und trotz jeden Freitag
sich wiederholenden starken Blutverluste, der nicht ersetzt wird, kann uns die
Naturwissenschaft nicht erklären. Wer es doch versucht hat, auch dies „natürlich
" zu deuten, hat derartige phantastische und luftige Hypothesen beigebracht,
daß niemand im Ernste davon überzeugt wird. Man sollte so offen sein, zuzugeben
, daß man hier vor den Toren einer anderen Welt steht. Deshalb macht
die Wissenschaft durchaus nicht Bankrott, wie Dr. Kröner meint („Das Rälsel
von Konnersreuth"). Sie entehrt sich nicht, wenn sie die ihr gezogenen Grenzen
anerkennt. — —
Ueber meinen Besuch in Konnersreuth will ich nur bemerken,
daß er auf Einladung des Pfarrers Naber erfolgte. Mich führte nicht fromme
Neugierde dahin, ich wollte weder Ekstasen noch Blutungen sehen, sondern über
die Persönlichkeit der Therese Neumann wie des Pfarrers mir ein Urteil bilden.
Glücklicherweise konnte ich mit beiden allein sprechen. Wie schon oben gesagt,
fand ich in Therese ein einfaches, kindlich frommes, heiteres Wesen, ohne jede
Pose, natürlich und mit Mutterwitz ausgestattet Ich konnte die Stigmen der
*) Wenn in manchen Schriften darauf verwiesen wird, daß auch im Islam
Stigmatisationen vorkommen, so liegt die Vermutung sehr nahe, daß sie künstlich
hervorgerufen werden, wie das bei den persischen Schiiten, den Anhängern
des Ali, so oft geschieht. Wir haben, so viel mir bekannt, auch keine jener ärztlichen
sorgfältigen Untersuchungen und Prüfungen, wie sie über unsere christlichen
Stigmatisationen vorliegen; wir wissen nicht, wie lange sie andauerten, ob sie
ohne Eiterung verliefen usw. Außerdem haben wir nur schwache Analoga zur
Stigmatisation. Auf die wesentlichen Unterschiede ist also wohl zu achten.
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