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750 Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (Dezember 1927.)
Hand sehen, die schon oft beschrieben worden sind. In Pfarrer Naber hatte
ich mir einen etwas derben Landpfarrer vorgestellt, war aber überrascht, ein
feines Gelehrtengesicht zu sehen, einen bescheidenen, aufrichlig ireundlicheq *
Mann. Eigenartig war der Bück Theresens, sj eiwa, wie wenn sie über die Linge
hinwegsehe in eine andere Sphäre. Doch strahlte aus diesen Augen helie
Freude, ais ich ihr sagte, daß ich Konvertit sei, und warmes Milgefünl, als ich
ihr den Leidensweg meines Lebens kurz sciiiiderte. Ich brachte eine doppJ.e
Bitte vor, einmal, es möge Pfarrer Naber in den gelesens.en Zeitungen verkünden
, daß keine Besucher mehr zugelassen werden, um Therese zu schonen
und der häßlichen Erscheinung Einhalt zu tun, daß aus Konnersreu^h eine
geschäftliche Spekulation gemacht werde; dann aber suchte ich beide dafür
zu gewinnen, daß eine erneute fachmännische Untersuchung der Nahrungs-
losigkeit stattfinde. Therese erklärte sich sogieich bereit dazu, wenn der hartnäckige
Widerstand des Vaters überwunden werden könne. Dies machte auf
mich einen guten Eindruck. Dagegen sprach sich Pfarrer Naber gegen eine
zweite Untersuchung aus, indem er meinte, wer den vereidigten barmherzigen»
Schwestern nicht glaube, der verweigere auch einer rein fachmännischen Un ersuchung
den Glauben. Ich entgegnete, daß ich anderer Meinung sei. Es gebe*
unter den Skeptikern viele auf rieh ige Wahrheitssucher, die sich durch einen
streng fachmännischen Entscheid doch überzeugen ließen. Sei.her (ich war am
ig. Seplember 1927 dort) ist einer meiner Wünsche in ErfüJung gegangen,
indem der Weihbischof von Regensburg das dringende Ersuchen an die Beteiligten
stellte, keine Besucher mehr zuzukssen. Daß auch der bayrische Episkopat
einer erneuten Untersuchung durchaus nicht abgeneigt wäre, geht aus
folgenden Worten des Münchner Erzbischofs (Predigt über Konnersreu h vom
6. November 1927) hervor: „Auch in Konn rsreu!h hat der vers'orbene Bischof
von Regensburg, der für diesen Ort zuständig und veran*wortlich war, lange bevor
die öffentliche Aussprache eine wis enschaftliche Untersuchung des Fal'es
forderte, die Eltern von Therese Neumann veranlassen wollen, ihre Toch er in
das Krankenhaus zur strengen ärztlichen Beobach'ung zu schicken. Die Eltern
haben sich dessen geweigert und eine gewaltsame Verbringung in eine Universitätsklinik
war nicht möglich, weil das vor dem bürgerlichen G°setz Beraubung
der Freiheit gewesen wäre ... von kirchlicher Seite würde man heu'e noch eine
neue, streng wissenschaftliche Beobachtung und Prüfung, etwa in einer Universitätsklinik
begrüßen." —
Um zu zeigen, wie vorsichtig die Stellung der kirchlichen Behörden Konners-
reulh gegenüber ist, seien zum Sch'uß die sieben Grundsätze angeführt,
die S. Eminenz Kardinal und Erzbischof von Faulhab°r in der oban erwähnten
Münchener Pred:gt am 6. November 1927 verkündet hat. — Der erste
Grundsatz: Christus hat Wunder gewirkt und pciner Kirche die Wunderkraft
des Glaubens verheißen. Ein Jünger Christi muß also ohne ,Wenn und
Aber* an die Wunder des Evangeliums ghuben und auchdiran, diß im Laufe der
Kirchengeschichte einzelne Wunder vorkommen können. Der zweite Grundsatz
: Christus hat vor falschen Propheten und falschen Wund rn gewarnt und damit
vorausgesagt: es gibt neben d«n echten auch scheinbare Wunder. Wir müssen!
also von Fall zu Fall prüfen, ob diese oder jene wundersime Ta'siche ein w Vdichos
oder ein scheinbares Wunder sei und müssen uns in bezug auf d:e Wunder
ebenso vor dem Aberglauben wie vor dem Unglauben hüten. Der dritte
Grundsatz soll uns sagen, in welcher Weise diese Prüfung zu machen ist.
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