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Walther: Zum Problem der Stigmatisierten von Konnersreuth. 751
Die Prüfung einer wunderbaren Tatsache muß geschehen in reiner Wahrheilsliebe
, mit Ehrfurcht vor dem Heiligen, nicht in Wundersucht, aber auch nicht
in Wunderscheu. Dar vierte Grundsatz: Wundertaten oder Zustände sind
nur dann ein Beweis für den Glauben, wenn sie einan guten Sinn und Zweck
haben und wenn die innere Gesinnung der Wunderperson aus Gott is.. Auch
erwiesene Wunder zwingen nicht zum Glauben, wenn einer nicht glauben will.
Darum lautet der fünfte Grundsatz: Selig, die nicht sehen und doch
glauben! Die alten Wunder im Reiche Gottes, die leuchtend das Siegel Gottes
tragen, müssen unserem Glauben genügen. Der sechste Grundsatz:
Heute schon, vor dem Endurteil, ist eine große Botschaft und Gnade von
Konnersreuth ausgegangen: Menschen der Neuzeit und neuzeitlichen Not, kehrt
zurück zur Andacht zum Leiden Christi! Flüchtet euch in die Wundmale
Christi! Der siebente Grundsatz: Die Kirche spricht das Wort Wunder
sehr langsam aus, darum dürfen wir nicht vorlaut sein. D^r Glaube der Kirche
steht auf g'eich festem Boden mit und ohne Konnersreuth — darum dürfen
wir nicht ängstlich sein.----
Zum Problem der Stigmatisierten von Konnersreuth.
Von Dr. philos. Gerda Walther, Frankfurt a. M.
Nicht weniger als drei Wissensgebiete werden durch das „Wunder" von
Konnersreuth aufs tiefste berührt: die Theologie und Religionsphilosophie, die
Psychopathologie und schließlich die Parapsychologie und der Okkultismus.
Was von psychiatrisch-neurologischer und psychoanalytischer Seite einerseits,
von parapsychologischer Seite andererseits zu dem Problem gesagt werden kann,
ist in der Novembernummer „Zeitschrift für Parapsychologie" eingehend dargelegt
worden, es soll deshalb hier nur noch vom religionsphilosophischen
Standpunkt aus noch einiges bemerkt werden.
Was zunächst d!e religionsphilosophische Seite des Problems be'riff t, so böte
sich hier eine außergewöhnliche Gelegenheit, einmal zu versuchen, von einer
Persönlichkeit, die diese Dinge selbst erlebt hat, möglichst eingehende Schilderungen
ihrer Innenvorgänge während der Ekstasen zu erhalten: vorausgesetzt,
daß die Neumann zu solchen feinen phänomenologisch-psychologischen Deskrip-
tionen überhaupt imstande ist. Sehr wertvoll wäre es, von ihr zu erfahren,
welcher Art ihre Innenerlebnisse eigentlich sind: man liest da immer von
„Stimmen", die sie hört, von Begebenheiten, die sie „schaut", doch über die
\rt dieses ,.Slimmenhörens" und „Schauens"1) erfährt man so gut wie nichts»
„Hört" sie die „Stimmen" wia einen mit ihr sprechenden, vor ihr stehenden
Menschen? Odsr sind es nur gleichsam besonders intensive Gehörsvorstellungen,
gleichsam laute Gedanken, die von ihren Visionen zu ihr oder untereinander
„gesprochen" zu werden scheinen? Und we'cher Art sind diese Visionen? Sieht
sie ganz konkrete, farbig3 Gestalten vor sich, oder handelt es sich um bloße
„Vorstellungen" (ähnlich etwa, wie wenn man beim gespannten Lesen eines
Romanes diesen innerlich „miterlebt", ohne daß doch diesem Miterleben genau
*) Ueber das Problem der Stimmen und Visionen und die Vieldeutigkeit dieser
Begriffe, vgl. den Aufsatz des Verfassers „Zur innerpsychischen Struktur der
Schizophrenie", Springers Zeitschr. f. d. ges. Neurologie und Psychiatrie Bd. 108,
H. 1/3, Berlin 1927.
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