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Buchbesprechungen

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wäre dringend anzuraten das Studium einer katholischen Apologetik, z. B. das
Werk von Esser und Mausbach: „Religion, Christentum und Kirche" (Verlag
Kösel, München). Immerhin ist aber die Schrift insofern der Beachtung wert,
als sie das Problem von Konnersreuth vom Standpunkt der Psychoanalyse und
der Parapsychologie zu beleuchten sucht. Das ist meines Wissens bisher noch
nicht geschehen1). Ich habe aber schon vor vielen Jahren in meinen Artikeln
„Legende und Mystik" und über Kath. Emmerich („Passauer Theologische Mo-
natsschr." 1907 und 1919) auf die Notwendigkeit hingewiesen, gewisse übernormale
Phänomene im Leben der Heiligen vom Standpunkt der Parapsychologie
aus zu prüfen. Es werde sich dann zeigen, daß manches, was als übernatürlich
angesehen wurde, nur übernormal ist, der Kreis des Wunderbaren werde etwas
eingeschränkt werden, aber nicht aufgehoben.

Was ich anerkennend hervorheben will, ist, daß der Verfasser nicht Materialist
ist, daß er die Heilungen in Lourdes vollkommen zugibt, ebenso die von
Christus und den Aposteln geschehenen (S. 55) und auch die rätselhaften Erscheinungen
von Therese Neumann. Hier weiß er seinen materialistischen Kollegen
, insbesondere dem Berliner Prof. Schultz, bittere Wahrheiten zu sagen, über
die wir uns nur freuen können2). — Im einzelnen bemerke ich folgendes: Wenn
Jacobi die Stigmen des hl. Franz von Assisi für Artefakte halten will, so scheint
er nicht zu wissen, daß die Stignen an Händen und Füßen des Heiligen keine
Wunden waren, sondern nach der genauen Beschreibung des Thomas von Celano,
eines Schülers des hl. Franz, plastische Gebilde gleich Nägeln aus Fleisch. Wiederholt
wird die Kardiognosie erklärt als die Gabe, geweihte Gegenstände von un-
geweihten zu unterscheiden. Dies aber nennt man Hierognosie. Kardiognosie
(vom griechischen Kardia = Herz) ist seelisches Erfühlen, Gedankenlesen. Es
gibt keine hl. Therese vom Kreuze Jesu, sondern vom Kinde Jesu (S. 18). Daß
Therese Neumann deren „Traktate mit Inbrunst verschlungen" habe, wird durch
ihre eigene Aussage widerlegt, wonach sie „die Geschichte einer Seele" nur
/ur Hälfte gelesen hat (vgl. Witt, „Die Leiden einer Glücklichen" S. 77). Gegen
die Behauptung, Therese habe am 29. Aprii 1924 vor der Heilung von der Erblindung
eine Vision gehabt (C. 23), steht die Darstellung bei Witt S. 61. Man
kann nicht wohl von „blutenden" Tränen sprechen, sondern von blutigen (S. 21).
Gegen die Meinung, erblich belastete Psychopathen würden in
religiöser Umgebung zu Heiligen, protestieren Gestalten wie Vinzenz von Paul,
Franz von Sales, Philipp Neri, Don Bosco und unzählige andere. Wenn der Verfasser
glaubt, die rätselhaften Phänomene an Therese „f a k i r is tis ch" deuten
/u können, so ist dagegen zu sagen, diß Therese niemals Yogha-Uebungen anstellte
, auch wird kaum einer die phan-tasievollen ,,natürlichen" Erklärungsversuche
der völligen Nahrungslosigkeit annehmen wollen. Ebensowenig kann die
plötzliche Heilung der eiternden Fußwunde, die von den meisten Berichterstattern
über Konnersreuth verschwiegen wurde, fakiristische Wirkung des Unterbewußten
sein. Daß Hysterie wenigstens der Ausgangspunkt und das Vorstadium der
okkulten Phänomene gewesen sei, wird von vielen Aerzten bestritten. Wenn die
„Wissenschaft" wirklich glaubt, Gott als unbekannte Größe behandeln zu müssen
(S. 52), so versperrt sie sich selbst den Weg zur Erkenntnis. Der Ausdruck
„Telephonanschluß ans Absolute" stammt meines Wissens nicht erst von Dessoir,
sondern vom Philosophen Hartmann. Die Hereinzerrumg des indischen Karma-
Begriffes (S. 93) finde ich deplaziert.

Lynn Thorndyke, Ph. D., Professor of History in Western Reserve University,
A History of Magic and experimental Science during the first thirteen Cen-
turies of our Era, 2 Bände, London, Macmillan and Co., 1923. Bd. I: XL Blatt
und 835 S.; Bd. 2: VI Blatt und 1036 S.

Das, wie die Seitenzahlen zeigen, außerordentlich umfangreiche Werk ist
\on ungeheuerer Gelehrsamkeit. Es gibt in der Hauptsache eine durchweg aus
den Quellen gearbeitete Geschichte des Verhältnisses der europäischen Wissen-

*) Ist inzwischen von sachverständiger Seite geschehen. Vgl. die betreffenden
Aufsät/e von Dr. Böhm und Dr. Neugarten im Novemberheft unserer Zeitschrift.

2) Der bekannte Berliner Nervenarzt Professor J. H. Schultz bestreitet uns
gegenüber die Berechtigung und die Unterlage der gegen ihn gerichteten Ausführungen
, und stellt eine besondere Entgegnung a«n anderer Stelle in Aussicht.


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