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Zeitschrift für Parapsyehologie. 1. Heft. (Januar 1928.)
wäre ein Zeugnis nachzuprüfen, in dem zum Ausdruck kommt, daß Frau Hessel
nach telephonischem Anruf sofort den Täter durchs Telephon (I) beschrieben
habe. Dafür, daß Frau Hessel, wenn sie jemand als „Vision" im Auto*
trance gesehen hat, nach Monaten sofort aus einer unbekannten Menge wiedererkennt
, legte sie einen Beweis vor in der Form eines Berichtes im „C r o s s e n e r
Tageblatt" vom 18.Dezember 1926. Eine Frau war der Brandstiftung verdächtigt
worden und hatte — um den Schuldigen zu ermitteln — Frau Hessel
in Anspruch genommen. Frau H. machte nun seinerzeit genaue Angaben über
eine andere Frau, die zu einer bestimmten Zeit an der Brandstelle gewesen
sei. Die u r sprünglich verdächtigte Frau nannte bei der Heimreise die von Frau
H. beschriebene Person ab vermutliche Brandstifterin. So kam es zur
Klage aus S 186 RStGB. In der Berufungsverhandlung, Hie in Guben stattfand
, war Frau H. als Zeugin geladen. Sie wurde im Laufe der Sitzung gefragt,
ob sie imstande wäre, die von ihr seinerzeit beschriebene Person im Saale herauszufinden
. Die Aufgabe gelang ihr sofort. — Man kann nun einwenden, daß
Frau IL auf dem Korridor Gelegenheit gehabt hat, diesen oder jenen über die
überhaupt erschienenen Zeugen zu befragen, ja, vielleicht ist sie auch beim
Zeugenaufruf „schon im Bilde" gewesen! Im Interesse der Forschung
müssen derartige möglicherweise vorhanden gewesene „Fehlerquellen" deutlich
betont werden.
Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus sind Berichte als Beweis für
„exakte" Leistung abzulehnen, wenn sie aussehen wie z.B. der in Nr. 276
der „Delitzscher Zeitung" vom 25.November 1925 (Beilage Seile 2,
Spalte 1). Da finden wir nur die Notiz, daß Frau H. in Bethau (Kreis Torgau
) gearbeitet hat, und im Bericht den Satz: „Der Beschuldigte leuigj-
n e t." Frau H. konnte nicht angeben, was eigentlich aus der Sache geworden
ist
Nun zur Feststellung, ob die Behörden als solche an Frau Hessel herangetreten
sind. Bekanntlich ist immer wieder gerade diese Tatsache von der
Gegenseite bestritten bzw. in Zweifel gezogen worden. Mir lagen bei meinem
Besuche folgende Schreiben vor, die der obenerwähnten „Nachprüfung" entgangen
waren.
I. T o r g a u , 7. Juli 1921. Geschäftsnummer
5. J. 774/21.
* Der Untersuchungsrichter am Landgericht.
Aus dem Text interessiert folgende Stelle:
„Zur Aufklärung einer Strafsache beabsichtige ich!, mich Ihrer Hilfe
zu bedienen."...
IL Tilsit, Landgericht. 19, Januar 1922.
Der Untersuchungsrichter.
3. J. 1273/21.
Im Text erwähnt der Untersuchungsrichter den bekannten Fall Busdorf
(vgl. „Auf Leben und Tod" von Hans Hyan, Leipzig, 1923, Verlag Josef Singer,
Seite, 123 ff.) und schreibt dann u.a.: „Ich bitte Sie nun, auch in der vorliegenden
Sache tätig zu sein. Es ist der einzige Ausweg, um eine Sühne der Straftat
herbeizuführen." ... „Der Kostenpunkt spielt dabei eine untergeordnete Rolle."
In einem zweiten Schreiben desselben Untersuchungsrichters, des Land-
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