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v. Schrenck-Notzing: Zu den Glossen des Grafen Klinckowstroem. 55
In Wirklichkeit deckte die Gräfin Wassilko bei Kraus keinerlei Tricks auf,
die uns nicht schon vorher bekannt waren. Es handelte sich nämlich um das
Durchstrecken eines oder beider Beine durch die auf Veranlassung des Mediums
viel zu tief gesetzte Käfigöffnung, also um einen äußerst simplen Vorgang,
den man sich nicht extra vormachen zu lassen braucht. Der Experimentator, Professor
Thirring selbst (vgl. Zeitschr. f. Parapsychoiogie, April 1926, S. 195)
erklärt hier und in einem besonderen Schreiben an mich, daß ich es war,
der die bis dahin nicht informierten Wiener Gelehrten auf die betrügerischen
Manipulationen des Kraus aufmerksam machte. Erst dieser Hinweis
führte zu der Entlarvung. Thirring bat mich aber damals brieflich, mit meinen
Kenntnissen über die betrügerischen Neigungen und Schwindeleien des Kraus
vorerst nicht an die Oeffentlichkeit zu gehen, weil damit unter Umständen
die Wiener Untersuchungskommission kompromittiert werden könnte.
Selbstverständlich prüfte ich die Lokalverhältnisse im Wiener physikalischen
Institut durch Ausmessen des Käfigs, seiner Oeffnung usw. in Gegenwart
Thirrings ganz genau nach und stellte fest, daß die Wiener Versuchs-
bedingungen sich mit denjenigen in meinem Münchener Laboratorium nicht
vergleichen lassen. In Wien hat nämlich das Medium sich selbst die Versuchsbedingungen
angeordnet unter Vorspiegelung der falschen Tatsache, daß die
selben identisch mit den Münchener Kon trollmaßnahmen seien. Leider wurden
sie von dem damals noch unerfahrenen Wiener Versuchsleiter angenommen,
während im Gegensatz hierzu in meinem Münchener Laboratorium die Einrichtungen
so getroffen waren, daß man einen Betrug mit Sicherheit ausschließen
konnte. Eine Reihe angesehener Gelehrter und Hochschullehrer, die
an den Experimenten teilnahmen, bestätigt diese Auffassung.
Nun hat aber Kraus nicht nur Telekinesen und Materialisationen hervorgebracht
, sondern auch sowohl in meiner Gegenwart, wie in meiner Abwesenheit
, zum Teil wieder unter Aufsicht von namhaften Gelehrten — ich nenne nur
die Professoren Gruber, Hecker, die Geheimräte von Ca 1 ker und
Lindemann usw. — seinen Körper nicht weniger als 35 mal frei in die Luft
erhoben, ein Phänomen, das ohne die Requisiten des Theaters in Privat-
wohnungen überhaupt nicht ausführbar erscheint. Es unterliegt somit
nkht dem geringsten Zweifel, daß Kraus ein echtes und starkes Medium war.
und wenn die Versuchsleitung ihm durch ungenügende Kontrollmaßnahmen
Gelegenheit zum Schwindeln gab, so liegt hier die Schuld nicht allein an Kraus.
Wegen des auf meine Veranlassung in Wien vorgenommenen Betrugsnachweises
jedoch die echten Münchener Phänomene in Abrede steilen zu
wollen, wäre unlogisch. Denn wir haben bei anderen Versuchspersonen, wie
z. B. Eusapia Paladino dieselbe Erfahrung gemacht, daß neben zweifellos echten
Erscheinungen auch mit den plumpsten Mitteln erzeugte Schwindeleien bei
ihnen beobachtet wurden. Im Uebrigen ist die Betrugsfrage in meinem dem
Herrn Grafen v. Klinckowstroem offenbar unbekannten Vortrage eingehend
zur Erörterung gelangt.
Die von ihm ebenfalls herangezogene Frage über das amerikanische Medium
Margery nach der Echtheit seiner Leistungen ist keineswegs abgeschlossen
trotz gegnerischer Betrugsbehauptungen, denn diese Amerikanerin hielt inzwischen
2l\ Sitzungen ohne Anwesenheit ihres Gatten, den man als spiritus
rector für den übrigens bis jetzt unbewiesenen Betrug gehalten hat. Außerdem
erzeugte sie in diesen Sitzungen neuerdings Spiegelbilder von Daumenabdrücken,
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