Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0079
Kleine Mitteilungen. 63

stellt sind, weil sie gegen Entgelt ihre okkulten Fähigkeiten benutzten, um Materialisationen
, Apporte, Levitationen und ähnliches zustande zu bringen?

Als Sachverständige werden dann nicht Männer gehört, die in solchen Dingen
Erfahrung haben. Im Gegenteil, diese ihre praktische Erfahrung läßt sie im
Lichte der Voreingenommenheit für den Angeklagten erscheinen und macht sie
dadurch in den Augen des Richters als Sachverständige geradezu unmöglich.
Und so wird denn ein wirklich ins Gewicht fallendes Urteil allein denjenigen
zugeschrieben, die niemals etwas Okkultes erlebt haben und die daher von vornherein
es für ganz selbstverständlich halten, daß der Angeklagte auf irgendeine
Weise betrogen haben müsse.

Der Vorsitzende betonte, es handle sich in der okkultistischen Gutachterfrage
um Menschenschicksale, und sie dürfe daher nicht länger in die Hände der
Unwissenheit und des Vorurteils gelegt werden.

Die Berechtigung zu diesem Appell an die Menschlichkeit wurde durch das
von den beiden Referenten vorgebrachte Tatsachenmaterial in ein geradezu grelles
Licht gerückt.

Der erste Referent des Abends, Herr Rechtsanwalt Dr. Winterberg,
Berlin, bekannt als Verteidiger aus verschiedenen Prozessen auf dem Gebiete der
Hypnose, des Heilsehens usw., gab zunächst an Hand verschiedener Aktenfälle
(Lahrer Hellseher-Prozeß, Insterburger Hellseher Prozeß, Erichsen-Prozeß usw.)
eine anschauliche Schilderung über die Schwierigkeiten, die ein parapsychologischer
Prozeßstoff in gleicher Weise dem Staatsanwalt bei der Anklageerhebung
, dem Richter bei der Urteilsgründung und dem meist nicht informierten
„Sachverständigen" bei der Begutachtung bietet. Er kritisierte die Unklarheit
der Begriffe, die Unsicherheit der Symptome usw., während gerade das Strafrecht
eine klare Begriffsbildung fordere. Er forderte ähnlich wie Groß, v. Hentig,
Hellwig, die Zulässigkeit der hypnotischen Untersuchung bei Gericht bzw. im
Vorverfahren, falls die Hypnose als Tatbestandsmerkmal behauptet werde.

Aus den bemerkenswerten, durch Akten belegten Einzelheiten war sowohl
die Gefahr von Rechtsirrtümern zum Nachteil der Angeklagten, wie auch die
häufig seltsame Art der Begutachtung ersichtlich. Der Vortragende faßte schließlich
seine Forderungen in vier Thesen zusammen, nämlich nach:

1. Erteilung eines Lehrauftrags für Hypnose bzw. eines Forschungsinstituts für
Hypnose (und verwandte Gebiete) an einer preußischen oder deutschen Universität
.

2. Aufstellung einer Liste von Sachverständigen (15—20 Namen beider Richtungen
) beim preußischen Justizministerium ähnlich anderen bereits bei diesem
Ministerium geführten Listen.

3. Präzisierung des Hypnosebegriffs im neuen Strafgesetzbuch (§9 Ziff.6 des
dem Reichstag vorliegenden Entwurfs), durch die Worte „Tiefhypnose",
„Somnambulhypnose", oder durch etwa folgende Definition: „Hypnose im
Sinne des Strafgesetzes liegt vor, wenn auf Grund gesteigerter (abnormer
oder pathologischer) Beeinflußbarkeit infolge von Fremdsuggestion eine derart
veränderte Bewußtseinslage eintritt, so daß Verwirklichung von Sinnestäuschungen
und posthypnotiscben Befehlen, sowie Erinnerungslosigkeit im
Wachzustand die Folge sind."

4. Erweiterung der Rechte der gerichtlichen Sachverständigen gemäß §81 der
Strafprozeßordnung, dahingehend, daß auf Antrag eines Sachverständigen
ein« Person auch zwecks Feststellung ihrer Hypnotisierbarkeit auf bestimmte
Zeit in einer Krankenanstalt untergebracht werden kann.

Wir behalten uns vor, auf den Inhalt des Vortrages und die wertvollen Anregungen
demnächst noch weiter einzugehen.

Herr Dr. O. S e e 1 i n g berichtete zunächst über verschiedene höchst bezeichnende
Erlebnisse aus verschiedenen Hellseh-Prozessen und verbreitete sich
dann über seine Gutachtertätigkeit in Hirschberg, indem er anschaulich das
Gutachten seines Gegners Moll unter die kritische Lupe nahm. Die Gegenüberstellung
des Schriftstellers Moll mit dem Sachverständigen gleichen Namens entbehrte
nicht des pikanten Reizes. — In der Diskussion sprachen die Herren
Justizrat Dr. Paul Posen er, Berlin; Spezialarzt für Hautleiden Dr. Friedländer,
Berlin und Gerichtsarzt Dr. Tuszkai, Budapest.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0079