http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0093
Leinweber: Tischrücken.
77
Da hatte ich den Einfall zu fragen: „Wollen Sie am Ende den Doktor
sprechen?"
„Ja!"
Wir sagten dem Doktor davon, als er heimkam und nun saßen wir wieder
zu vieren.
Jetzt buchstabierte der Tisch den Namen einer Patientin des Doktors, die
tatsächlich im Juni, genaues Datum wußte der Doktor nicht, im Krankenhause
an Brustkrebs gestorben war. — Sie war von einem Kurpfuscher
behandelt worden und endlich, als es zu spät war um noch! operativ eingreifen
zu können, zu dem Doktor gekommen, der sie einem Krankenhause überwies.
— Die Familie hatte einen Prozeß gegen den Kurpfuscher angestrengt, und
der Doktor war als Sachverständiger geladen worden.
Der „Geist" im Tische schien mit seinem Ableben durchaus nicht einverstanden
und wollte den Arzt erbittert gegen den Kurpfuscher hetzen. —
Es ist nicht anzunehmen, daß das Unterbewußtsein des Doktors diese Hetze
diktiert haben konnte, denn Dr. G. dachte in diesem Punkte großzügig und
ohne Standesvorurteile. Er dachte auch den Kurpfuscher nach Möglichkeit
zu decken, die Frau sei hoffnungslos krank schon zu ihm gekommen und keine
Operation würde sie gerettet haben.
Da die Tote so bei dem Arzte nichts von ihrem Willen erreicht sah,
brach sie ab. Sie hatte nur noch die Frage, ob der Doktor sein Geld von den
Erben erhalten habe. Ihre Orthographie war schlecht, ihre Ausdrucksweise
ungewöhnlich. Der Doktor meinte, gerade so würde die Frau im Leben auch
gesprochen und geschrieben haben.
Frau Dr. G. behauptete, nichts bisher von dieser Patientin ihres Mannes
und dem bevorstehenden Kurpfuscberprozeß gehört zu haben und ihre Ahnungs-
losigkeit dem hartnäckig und ungeduldig geklopften „G" gegenüber läßt die
Annahme zu, daß sie wirklich nichts davon gewußt hat.
Wenn, wie in der ersten Erzählung von dem weit in Dresden plötzlich
erkrankten, jungen Mädchen, die telepathische Mitteilung einer Lebenden uns
durch den Tisch wurde, ... warum sollten nicht auch einmal Gestorbene
diesen Weg benutzen, um sich uns mitzuteilen? —
Vorausgesetzt, daß sie noch irgendwie da sind .. .
Vielleicht wird die parapsychologische Forschung einmal den Beweis für
ein persönliches Fortleben bringen. — Dann wird, in frommen Schauern
andachtsvoll gewußt, das Geheimnis geachtet sein und seine Achtung wird
unser Leben beherrschen und es erhöhen. — Uebermütige Laien wie wir es
waren, werden sich dann wohl nicht mehr an den Tisch setzen, um ein doch
immerhin etwas frivoles Spiel zu treiben ...
Ein Spiel, bei dem man sich selbst sehr leicht betrügt.
Eines Abends, da wir zusammen saßen, klopfte der Tisch den Namen
„Otto". — Dann: „Helene, ich liebe dich!" — Darauf nannte er auch seinen
Nachnamen und entpuppte sich damit als ein Vetter von Frau Dr. G., den sie
fern in Australien wußte.
Er gab an, am i4. Januar in Sidney gestorben zu sein. Plötzlich ver-4
änderte der Tisch den Rythmus seiner Bewegung, er klopfte viel lauter und
ungestümer und es drängte sich die seit Jahren schon verstorbene, jetzt mit
dem Sohne vereinte Mutter Ottos vor. „Vater und Mila sagen, Otto tot!'4
forderte sie im Telegrammstil. —
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0093