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Leinweber: Tischrticken.
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den das Gedachte giab, und zerren am Tische. Er klopft das Wort. Wir
werden uns des Wie der Uebertragung nicht bewußt. — Manche „Geisterbotschaft
" durch den Tisch mag so die einfachste Erklärung finden.
Aber nicht immer ist sie ausreichend. —
Oefter machten wir den Versuch, ob der Tisch antworten und richtig
antworten würde, wenn einer von uns vieren sich vom Tische fort in eine
ferne Zimmerecke entfernen und ^on dort fragen würde.
Fragen nach Dingen, die den drei anderen am Tische unbekannt waren.
Das Experiment glückte wiederholt. —
Einmal, auch für Minuten allerdings nur, klopfte bei uns der Tisch ohne
jede Berührung unsererseits. Wir umstanden ihn, vergewisserten uns, daß kein
Fuß, keine Kniee, keine Kleiderfalte den Tischbeinen nahekam,, und hielten
unsere Hände etwa ein viertel Meter hoch, schwebend über der Tischplatte. —
Der Tisch klopfte wie gesagt. Es klang in ihm, und er schien sich einen Stoß
zu geben und in das Zimmer hinein laufen zu wollen. — Fragen haben wir
damals nicht gestellt, nur die Bewegung beobachtet. —
Ob es auch immer nur Geräusche waren, wie das Holz im Hause sie
gibt, wenn draußen das Wetter umschlägt, was wir zuweilen in den Möbeln
krachen hörten? — Einmal besonders stark, gerade, als Ottos Mutter mit der
Todesnachricht ihres Salines uns koboldartig narrte... Es schabte und kratzte
auf den Tapeten. — War es ein hinter ihnen rieselnder Mörtel?
Und plötzlich, ... es war keine Sinnestäuschung, ... geschah hinter meinem
Stuhle ein feiner, peitschender Laut wie von einer Handvoll scharfen Sandes,
die auf den Boden geworfen wurde.
Er erinnerte mich an eine Spukgeschichte, die ich vor längerer Zeit einmal
erzählen hörte. — Da war ein Unsichtbares, das, Tag für Tag, wenn die Familie
sich zum Mahle niedergesetzt, hinter den Stühlen fort, quer durch den Raum
ging und sich durch eine Verandentür entfernte. — Es verriet sich durch ein
Geräusch, als würden feinste Erbsen oder Sand auf den Boden hingespritzt.
Ich stelle fest, daß ich erst hörte und mich dann erinnerte, daß also erst der
Laut, der mein Ohr traf, die bewußte Erinnerung in mir auslöste.
Aber ist nicht die Möglichkeit, daß unter dem starken Eindruck des Außergewöhnlichen
(wir hatten gehört, daß Ottos Vater um den Sohn in Sorge sei
und waren darum geneigter als vorher, der sehr lebendig zu uns sprechenden
Mutter Glauben zu schenken) eine Atmosphäre geschaffen war, die in ihrerf
Gespanntheit auf mich wirkend, jene einst gehörte Spukgeschichte unterbewußt
schon in mir schwingen Heß? — Daß also der peitschende Laut von hingeworfenem
Sand, der nicht nur für mich, auch für andere, hörbar war, seine Ursache
hatte in irgendeiner Magie, die aus mir selbst heraus auf den Raum wirkte? —
Ist solch ein Wunder möglich, ... was ist dann unsere Seele?
Ich sagte, daß die Lektüre von einem Abschnitt aus Mauthners: Kritik der
Sprache, unseren Sitzungen voranzugehen pflegte. — Wir haben bei Mauthner
gelernt, daß all unser Denken Sprache ist und Sprache Gebundenheit. — Und
daß wir mit unserem sprachlichen Denken und wortgebundenen Begriffen dem
großen Geheimnis so wenig beikommen können wie mit unseren Sinnen. —
„Zufallssinnen", so nennt sie Mauthner.
Und eine Zufallsschöpfung ist das Weltbild, das wir mit ihnen erfassen. —
Immer bleibt unsere Welt nur Teilwelt, denn unsere Sinne, nur auf die für
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