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Leinweber: Tischrücken. 81

Ich richtete mich auf, machte Licht auf dem Nachttisch und sah nach der
Uhr. Es war gerade fünf.

So stark stand ich unter dem Eindruck des Erlebten, daß ich aufstand, sobald
ich das Mädchen im Hause sich rühren hörte und ihm befahl, mich zuerst,
nicht meinen Mann zu benachrichtigen, sobald von der Klinik telephonierl
werden würde.

— Es wurde nicht telephoniert. —

Aber am Vormittag kam meine Schwägerin in das Haus mit den Worten,
daß sie am Morgen zwischen fünf und sechs Uhr in großer Unruhe ihres
Bruders wegen gewesen sei. — Und fast mit den gleichen Worten kam später,
ohne daß eine die andere gesprochen hatte, die Gattin des uns befreundeten
Arztes, der meinen Schwager behandelte. — Beiden hatte ich von meinem Erlebnis
nichts gesagt. — Die Unruhe aber, die in drei Häusern zur selben Stunde
gefühlt worden war, schien mir ein Beweis mehr, daß mein Erlebnis Bedeutung
habe.

Nun, mein Schwager war nicht gestorben, wie ich geglaubt. Er war am
Donnerstag und am Freitag, als wir ihn besuchten, noch nicht so, daß uns die
Auflösung nshe schien.

Am Sonnabend starb er. —

Als er am Abend tot war, fragte ich die Krankenschwester, die ihn gepflegt
hatte, ob sie sich erinnere, wie sie den Kranken Donnerstag morgen angetroffen.

„Oh, das war schrecklich* , sagte sie sofort. Ich halte ihr kein Wort erzähll
und erzählte auch nachher nichts. „Als ich um halb sechs Uhr bei ihm eintrat
, da lag er halb zum Bette heraushängend und hatte schon lange so gelegen,
ohne sich selbst wieder zurück auf die Kissen bringen zu können. Er hatte
Atemnot gehabt und hat den Sauerstoffapparat fassen wollen, um ihn zu sich
heranzuziehen, was ihm nicht geglückt war. Dabei war er halb zum Bette herausgefallen
und konnte nicht selbst sich wieder aufrichten/*

Da hatte ich meinen Sauerstoffapparat. —

Die Vorstellung, die den Kranken beherrschte, daß der Augenblick seines
Todes gekommen sei..., ich las sie ab von dem Traumbild des sich schließenden
Fenster vor hangs.

Zu seiner Schwester, zum Hause des Arztes, zu uns ging die Angst des in
hilflosester Lage Verzweifelten... Der Druck auf meinem Arm war sein Zupacken
nach einem Halt. — Von mir gefühlt über eine Entfernung von etwa
dreiviertel Stunde hinweg ...

Und ich hörte den Ton des Sauerstoffapparates, den er zu hören wünschte.

Habe ich nicht im ersten Teil meines Aufsatzes anzunehmen gewagt, daß
ein Geräusch im Sitzungsraume von allen Teilnehmern gehört, der peitschende
Laut auf den Boden verspritzten Sandes, hervorgerufen sein könne durch die
magische Kraft einer in jenem Falle unterbewußten Vorstellung in mir selbst?

Wir hätten es also beide Male, bei dem Geräusch im Sitzungszimmer wie bei
dem Ton des Sauerstoffapparates, der mich anblies, mit Spukgeräuschen zu tun,
die von Lebenden ihren Ausgang nahmen.

Wahrscheinlich blieb der Schwager des Griffes sich unbewußt, den er in
seiner Todesangst an meinen Arm tat, eines gespenstigen Griffes ...

Wir alle sind schon hier, was wir, von den Fesseln des Körpers befreit, jenseits
wohl stärker sein werden/ — Vielleicht leben wir hier schon neben dem
zeitlichen ein zweites, uns übersinnliches und darum verborgenes Leben. — Ein

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