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Kleine Mitteilungen.
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schoß sie mit den Worten: „Die Kugel bringt die Antwort!" in die Luft. Darauf
bat er seine Gefährten, mitzugehen und den Täter zu suchen. Nach langem
Herumstreifen fanden sie endlich in einer an dem gegenseitigen Ende des Waldes
gelegenen Mühle den Müller tot und von der Kugel des Jägers auf die Stirn
getroffen.
Dieser herumziehende Jäger blieb noch einige Zeit in Diensten des Edelmanns
, doch weil er das Wild festbannen und die Feldhühner aus der Tasche
fliegen lassen konnte, auch in ganz unglaublicher Entfernung immer sicher traf
und andre dergleichen unbegreifliche Kunststücke verstand, so bekam der Edelmann
eine Art Grausen vor ihm und entließ ihn bei einem schicklichen Vorwande
aus seinem Dienst.
Eine Parallele zu dieser geheimnisvoll gelenkten Kugel und der in einer alten
deutschen Sage erhaltenen Schilderung finden wir in dem norwegischen
Volksmärchen von Peer Gynt, das Ibsen die erste Anregung
zu seinem dramatischen Gedicht gegeben hat. Es ist auch in Norwegen im
Wortlaut nicht sehr bekannt. Der Maler Werenskjold, der beauftragt wurde,
mit einigen anderen norwegischen Malern zusammen eine Auswahl aus dem
Märchenschatz mit Zeichnungen zu versehen, hat auch Peer Gynt illustriert. Er
gab einmal die von ihm illustrierten vierzehn Märchen als Buch heraus. Aus
dieser Sammlung stammt die hier folgende Lesart des Anfangsteiles des alten
Märchens von Peer Gynt.
Den Menschen Peer Gynt, so wie ihn Ibsen später gestaltet hat, erkennt man
aus diesem Märchen kaum. Es berichtet allein von einem Schützen aus Kvam im
Gudbrandsdal, der Peer Gynt heißt und im Spätherbst hinauf in das Hochfjeld
/ur Bären- und Elchjagd zieht.
Eines Nachts, als Peer Gynt den Weg zu seiner Jagdhütte geht, begegnet
ihm im Dunkeln eine wunderliche Gestalt. Sie ist kalt und ist groß, und sie fühlt
sich unheimlich schlüpfrig an. Peer Gynt fragt in die Nacht hinein:
„Wer ist das?"
„Oh, das ist der Krumme", wird ihm die Antwort zuteil.
Er versteht diese Antwort nicht und versucht, an der Gestalt vorüberzugehen.
Da fühlt er wieder das Große tmd Kalte und Schlüpfrige vor sich auf seinem Weg.
„Wer ist das?" fragt er noch einmal.
„Oh, das ist der Krumme."
„Ja, ob du nun krumm oder gerade bist, du mußt mich weiterlassen", sagt
Peer, denn er merkt, daß er rund um die Hütte im Kreise geht und daß der
Krumme die Hütte umringt.
Dann tritt Peer in die dunkle Jagdhütte ein und tastet sich an den Wänden
entlang. Wieder ist überall, wo er auch steht, das Große und Kalte und Schlüpfrige
da. Wieder antwortet ihm die Stimme, daß es der Krumme sei. Hier ist
nicht gut sein, denkt Peer, denn der Krumme ist überall, ich werde auf ihn
schießen müssen. Peer geht vor die Tür und gibt drei Schuß auf ihn ab.
„Schieß noch einmal", ruft es ihm zu.
Doch Peer Gynt schießt nicht mehr. Er weiß, daß die nächste Kugel
zurückkommen wird und ihn selber trifft. Dann greift er mit
seinen Hunden den Obertroll siegreich an.------ S.
Ist das Wunder möglich? Diese Frage steht aus Anlaß der Konnersreuther
Vorgänge neuerdings auf der Tagesordnung. Vom typischen Naturforscher wird
die Frage entschieden verneint. So heißt es z. B. in der Besprechung von Köhlers
Buch „Geist und Wunder" (Septemberheft 575): „Wunder im strengen Sinne des
Wortes gibt es natürlich nicht und kann es nicht geben". Darauf ist zunächst zu
erwidern, daß das Wort „unmöglich", wie schon Arago gesagt hat, nur im Bereiche
der Mathematik und der Logik vorkommen kann; wer es abgesehen davon
gebrauche, ermangle aller Vorsicht und Klugheit. Auch für Goethe gab es„Un-
möglichkeiten von vornherein" nicht. Der Kirchenvater Augustinus wiederum erklärt
: „Ein Wunder geschieht nicht im Widerspruch mit der Natur, sondern im
Widerspruch mit demjenigen, was uns von der Natur bekannt ist," womit die
Möglichkeit des Wunders gleichfalls zugestanden ist. Uebrigens ist das Wunder
mit gewissen Tatsachen zweifellos gegeben, wie z. B. mit plötzlichen Heilungen
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