http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0210
194
Zeitschrift für Parapsychologie. 4. Heft. (April 1928.)
und auch des „Spiritismus" ohne Vorurteil und Schaden für ihren Namen sich
hingeben.
Wer nun, wie ich, seit langen, langen Jahren im Auslande wohnt und mit
gleicher Leichtigkeit englische, wie französische und spanische Arbeiten studiert
, der erschrickt weder über das Wort Okkultismus" oder „Spiritismus
", noch sucht er angstvoll der Möglichkeit auszuweichen, als „Spiritist"
angesehen und demnach angefeindet bzw. bemitleidet zu werden, sondern entrollt
ohne Furcht seine Fahne, nur darauf bedacht, der Wahrheit einen Dienst
zu leisten und zwar auf Grund von Tatsachen!
Ein erfreuliches Zeichen war daher für mich die in den letzten Jahren,
besonders seit dem Kriege, in Deutschland einsetzende Neigung, mit dem Studium
dieses hochwichtigen Gebietes sich zu beschäftigen, und von diesem Gesichtspunkte
aus habe ich mit besonderer Freude das Unternehmen, ein Archiv
für „Parapsychologie" in deutscher Zunge zu gründen, begrüßt, weil ich die
Ueberzeugung hege, daß von dem Moment an, wo mit deutscher Gründlichkeit
dieses große, noch unbekannte Neuland beackert wird, wir schnell unsere
Lorbeeren pflücken werden, genau in dem Verhältnisse wie die Nobelpreise uns
zugefallen sind: im Uebermaß.
Das erlösende Wort ist nunmehr ja gefallen: „Parapsychologie"; und wenn
auch im allgemeinen in dieser Bezeichnung dieselben Erscheinungen einbegriffen
erscheinen, wie sie früher unter „Okkultismus" verstanden wurden,
so dürfen wir doch die Hoffnung haben, daß diese harmlose Camouflage griechischen
Anscheins genau dieselben erfreulichen Folgen zeitigen wird wie
damals, als der verpönte „Animalische Magnetismus" mit dem bestechenden
griechischen Namen „Hypnotismus" umgetauft wurde: nämlich, daß auch
die deutsche wissenschaftliche Welt jetzt ohne Scheu dem Studium dieses
Gebietes sich widmen und anstandslos den betreffenden Forschern das Prädikat
„wissenschaftliche Pioniere" zuerkennen wird.
Typisch für die heute noch bei uns in Deutschland in wissenschaftlichen
Kreisen herrschende Abneigung gegen alles was nach „Okkultismus" aussieht,
ist die charakteristische Bemerkung, mit der das Organ des Keplerbundes in
Detmold, die im Auslande mit so großer Vorliebe gelesene, vorzügliche Monatsschrift
„Unsere Welt", das epochemachende Werk von Prof. Oesterreich
„Das Weltbild der Gegenwart" seinen Lesern vorführt und empfiehlt: „Dieses
hervorragende Buch, dessen erste Auflage leider, unseres Wissens, uns nicht
zur Besprechung vorgelegt ist, verdient die wärmste Empfehlung, und zwar
trotz des Bedenkens, das die Neigung des Verfassers zum
Okkultismus erweckt!!!"
Angesichts dieser Sachlage muß ich, als in Deutschland unbekannter Autor,
mich wahrhaft glücklich schätzen, daß der Kritiker von „Unsere Welt" aus
Höflichkeit davon absah, meine zur Besprechung ihm eingeschickte Broschüre:
„Außersinnliche Wahrnehmungen" zu zerpflücken, und sich darauf beschränkte
, genannte Arbeit als „aus der Feder unseres sehr geschätzten Bundesmitgliedes
Dr. Pagenstecher hervorgegangen" zu klassifizieren. Was wäre ^vohl
aus mir geworden unter der vernichtenden Kritik meiner „Bundesmitglieder",
denen schon ein „Okkultist" bedenklich erscheint? Nun gar ein Spiritist!
Leider muß ich gestehen, daß ich in besagter Broschüre nicht genug auf die
im alten Vaterlande in wissenschaftlichen Kreisen herrschende antispiritua-
listische Einstellung Rücksicht genommen habe, sondern mit der gleichen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0210