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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0577
Zehntes Heft.

Oktober 1928

Experimentalberichte.

Intuitive Charakterdiagnosen.

Beobachtungen an einer Hellwissenden.
Von Dr. med. Johannes Marcinowski, Bad Heilbrunn (O.-B.)

I. Der Fall an sich und die Problemstellung.

Seit einigen Jahren habe ich Gelegenheit, mich in die Eigenart einer hellseherischen
Psyche zu vertiefen und möchte nunmehr darüber im Zusammenhange
berichten, nachdem die Tatsachen als solche durch eine Fülle von Beobachtungen
feststehen.

Es handelt sich um eine hochgebildete Frau \on vornehmer Denkart und
um keines jener vielen halb hysterisch, halb chizophren anmutenden Wesen,
denen mediumistische Eigenschaften fast wie ein Kennzeichen psychopathischen
Minderwerls anhaften. Im Gegenteil ist das Hell wissen dieser Frau, wie es auch
sonst schon gelegentlich beobachtet wurde, eine seherische Gabe, die den ohnehin
gegebenen PersönlichkeiUwert über die Norm eines hocherfreulichen Durchschnitts
noch sehr wesentlich steigert. Das liegt natürlich auch in der Art
begründet, wie die Frau ihre seltsame Gabe betätigt und in den Dienst ihrer
Nebenmenschen stellt, sie für deren Charakterbildung ratend, helfend, mahnend
oder stützend, zartfühlend und rücksichtslos, je nach dem, auswertet,
unheiherhütend oder Kraftentfaltung fördernd. Kurz, sie steht darin meinem
eigenen ärztlichen wie dem psycho-therapeutisch erzieherischen Wirkon meiner
Lebens- und Arbeitsgefährtin so nahe, daß sich im Laufe der Zeit >iel Gemeinsames
mit unserem eigenen Wirken herausgebildet hat, so zwar, daß wir
für die Behandlung seelischer Schwierigkeiten und Charakterverbildungen die
hellseherischen Diagnosen dieser Frau zu Hilfe zu nehmen lernten oder auch
den weiteren Verlauf der Fälle periodisch \on ihr mit \erfolgen ließen.

Durch solche innige Berührung mit unserer eigenen psychologischen Berufsarbeit
ergab sich mir bald die ungerneine Zuverlässigkeit dieser intuitiven
Diagnosen, wie ich es einmal nennen will, und für die Frau selbst ein
zunehmendes Maß objektiver Sicherheit zum eigenen subjektiven Gefühl
hinzu. Es spricht sicher sehr für die Frau, daß sie sich nicht ohne weitejres
auf ihr eigenes Empfinden verließ, sondern sich erst einer längeren Prüfungszeit
unterzog, um festzustellen, ob sie nicht einer törichten Selbsttäuschung
unterlag Und auch ich gehe erst jetzt an die Veröffentlichung meiner Beobachtungen
, nachdem ich mich im gleichen Sinne von der Tatsächlichkeit und Zuverlässigkeit
ihres Ilellsehens überzeugt habe, das uns wie gesagt eine wertvolle
Hilfe bei der eigenen psycho-therapeutischen Berufsarbeit geworden ist. —

Ich spreche ungern von Hell sehen, obwohl visuelle Bilder dabei im
Vordergrunde stehen: Ich nenne es ein Hell wissen, das sich wie alles intuitiv
Erfaßte erst in quasi Vorstellbares, also in irgendwie Sinnliches umsetzen muß,
ehe es auch nur der eigenen Verstandessphäre gegenüber zu einer mitteilbaren
Formung gelangen kann. Wir sprechen auch von einem inneren Schauen.

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