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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0578
570 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1928.)

Aber auch dieses Wort ist dem Bcveich des Sinnlichen entlehnt. Wissen,
und zwar inneres, unmittelbares W isson ist hier der gegegebene Ausgangspunkt.

Es kommt bei Frau Anita kielte vornehmlich aui zwei Arten zur Beobachtung
. Einmal spontan oder auch vorsätzlich gerufen, und dann durch
einfache Sammlung und Einstellung der inneren Aufmerksamkeit auf eine
Person oder ein Geschehen, das dann bildhaft in ihr aufleuchtet, so, als ob
sie es sähe, z. ß.

Beobachtung 1. Gewollt e s Hellsehen.

Ich fahre mit einem Kraftwagen nach München in Begleitung von
einem Patienten, der zu Frau K. in Pension kommt und einer Patientin,
die abreist. Das Auto ist sehr auffallend mit allerhand Umzugsgut bepackt:
große Koffer und Fahrrad sind seitlich angeschnallt. Die Beiden sitzen
hinter großen Zeichenbrettern und Mappen versteckt, kurz so, daß wir in
diesem grotesken Aufzug uns nicht durch die Stadt wagten sondern den
Weg zu Frau K. außenherum über Laim nahmen. Wir hatten uns schon
bei der Abfahrt verspätet, so daß Frau K. wartete und sich fragte, wann
wir wohl endlich kommen tvürden. Sie wußte nicht daß ich mitkam.
Diese Frage stellte sie an ihre hellioissende Funktion und sah in dem
Augenblick das Auto in seiner ganzen lächerlichen Aufmachung, wie es
gerade hinter Wolfratshausen fuhr. Der Zeitpunkt stimmte genau. Sie
beschrieb, was sie sah, und tcir wurden dementsprechend fröhlich zu nunmehr
genau zu bestimmender Zeit in Empfang genommen.

Beobachtung 2, Spontanes Hellsehen.

Frau K. denkt an ihren Pensionär und ist in Unruhe, ob er wohl auch,
wie er vorhalte, im Kolleg sei. Sie sieht ihn statt dessen auf einmal im
Kino sitzen. Es ist 4 Uhr. Als der Student am Abend heimkommt, sagt
sie ihm das auf den Kopf zu. Der Mann ist aufs äußerste verblüfft und
trachtet in Zukunft begreiflicherweise danach, sich solcher unheimlichen
Kontrolle zu entziehen. Er war tatsächlich zu der angegebenen Zeit im Kino
statt im Kolleg geivexen.

Oder, und das ist die gewöhnliche Art ihres Arbeitens, sie setzt sich,
g#nz wie Raphael Schermann, durch irgend etwas handschriftlich Geschriebenes
in inneren Rapport mit dem Schreiber, und berichtet dann über die
dabei in ihr auftauchenden Vorstellungen >om Sein und Wesen und Treiben
dieses Menschen. Also eine graphologische Diagnose? — Nein, das
nicht; denn von Graphologie -versteht Frau K. sehr wenig, nicht mehr, als
die selbstverständliche, gefühlsmäßige Verwertung der gröbsten Eindrücke.
Man könnte besser sagen, das Schriftstück selber vermittelte hier nur das,
was sich uns sonst von einer Begegnung zwischen den sinnlichen Eindrücken
aufdrängt.

Was sich nun Frau K. aufdrängt, ist ein lebendiges Charakterbild des
Schreibers in seinem allgemeinen Lebensumriß, wie in seinem augenblicklichen
Zustand, oft auch in bezug auf seine Zukunftsentwicklung. Die Schilderung
selbst bricht mit einer Art spontanen Wucht, d. h. ohne kritische Ueber-
legung aus der Frau heraus, ist also keine logische Synthese aus Einzelbeobachtungen
wie beim Graphologen. Sie weicht deshalb auch sehr eigen-


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