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316 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1928.)
Eins steht nach der Dürrschen Schrift jedenfalls fest und darin beruht
ihre Bedeutung auf kulturellem Gebiete: wir können nach dem Mitgeteilten die
Berichte aus dem Mittelalter über Beschwörungen usw. nicht mehr ohne weiteres
als Erdichtung zurückweisen. Davon ist natürlich die Frage unabhängig,
wie diese Erscheinungen zu deuten sind, d. h., ob sie auf die seelischen Kräfte
•des Verfassers oder selbständige dämonische Wesen zurückgeführt werden
können; ein Mittelweg wäre die dritte Möglichkeit,. daß es sich hierbei um
Gedankenformen handelt, die zwar von Menschen geschaffen worden sind, aber
bis zu einem gewissen Grade ein selbständiges Dasein führen. Die Frage ist also
die gleiche, die schon hundertmal bei der spiritistischen Phänomenologie gestellt
und bis heute nicht restlos gelöst worden ist, so daß es den Anschein hat, als
ob sie bis zu einem gewissen Grade überhaupt nicht lösbar sei. In dem Dürrschen
Falle könnte man zunächst ddiauf hinweisen, daß vieles für die Halluzinationstheorie
spricht:*der Wille, ein bestimmtes Phantom zu sehen, die Räuckt»-
rungen und Berauschungsmittel, kurz alles, was geeignet ist, derartige Vorstellungen
im Menschen hervorzurufen. Dem muß natürlich entgegengehalten
werden, daß diese Vorgänge auch von anderen gehört wurden, daß sich ihre
Reichweite auch auf andere, entfernte Personen erstreckte (Herbeiruf ung eines
Freundes), und daß Veränderungen in der Materie hervorgerufen wurden
(Iiisse im Spiegel, Herabfallen eines Buches usw.). Der Animist muß also in
-diesen Fällen Halluzination mit Telepathie, Telekinesie u. a. annehmen, wobei,
wie schon öfters bei solchen Gelegenheiten angeführt wurde, ein Hypothesen-
komplex entsteht, der zum mindesten ungleich verwickelter ist als die (hier im
Sinne der Dämonentheorie erweiterte) spiritistische Annahme; dasselbe betrifft
die Hypothese, daß eine entfernt magisch wirkende Persönlichkeit diese Eindrücke
bei Dürr hervorgerufen habe, da sie eben nicht bloß auf den Verfasser
beschränkt waren, sondern sich auch auf andere Personen erstreckten.
Ganz widerlegen läßt sich die animistische Annahme auch in diesem Falle
niemals, woraus hervorgeht, daß auch die spiritistische Hypothese sich durch
solche Fälle niemals streng wissenschaftlich beweisen läßt; für die Spiritisten
mag jedenfalls die erwähnte Schrift insofern eine Warnung sein, als der Gegensalz
zum Animismus keinesfalls der eigentliche Spiritismus zu sein braucht —
es muß auch mit dem Wirken dämonischer Kräfte gerechnet werden, die in dem
Dürrschen Falle allem Anschein nach tatsächlich im Spiel gewesen sind.
Das „mediumisiische" Malen des Nürnbergers Heinrich Nufelein
Von Dr. phil. Jos. Böhm, Nürnberg..
In den letzten Monaten des Jahres 1927 erschienen in den verschiedensten
Tageszeitungen, z. T. unter Beigabe von Abbildungen, Artikel über ein „Mal-
medium" in Mürnberg. Sehr viel Unkritisches, Phantastisches und Falsches
wurde geschrieben und führte zu Ablehnung und Bespöttelung. Selbst in
Nürnberg wohnend, nahm ich mich der Sache an und untersuchte längere Zeit
gründlich den Fall, der so viel Staub aufwirbelte. Bereits im Dezember berichtete
ich in der Nürnberger „Gesellschaft für Psychische Forschung" in
öffentlichem Vortrag und im Februar d. J. in der „Metapsychischen Gesellschaft
" in München.
Nachfolgend soll nun in dieser Zeitschrift der Fall zusammenfassend
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