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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0626
618 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1928.)

äußere Verhältnisse traten aber stets als Hemmung auf. Der Gestaltungstrieb
wurde „\erdrängl". Wie wir aus der Psychoanalyse wissen, brechen verdrängt©
Erlebnisinhalte oder sexuelle Regungen bei günstiger Bedingung plötzlich hervor
, dann aber häufig in mehr oder weniger veränderter, mitunter sogar
bizarrer oder perverser Form.

Aehnlich verhält es sich im Leben Nüßleins. Eine Teilnahme an einer
„mediumistischen" Sitzung und die nachfolgende selbst versuchte Konzentratration
zwecks ,»automatischen" Schreibens und Zeichnens, sprengten die bisher
versperrten Pforten in das Jenseits des Bewußtseins und nunmehr sprudeln
angesammelte Yorstellungsbilder und Ideen in vielfachen Variationen
hervor und überraschen den Laien auf psychologischem Gebiete. Das jahrelang
Zurückgehaltene ist befreit. Ohne Zutun des bewußten Willens erfolgt die
Gestaltung und Umgestaltung der Begriffe, „Landschaft", „Gesicht", „Blume",
„Geistwesen" usw. Verschiedene Elemente des Innenlebens Nüßleins sind in
den Bildern symbolisch enthalten, ähnlich wie sich in der Handschrift Seelische5
? abspiegelt. In der aufwärts gerichteten Linienführung und den Farbstrichen
, sowie in dem Sinnbild der schwarzen Schlangen und weißen Vögel
ist unverkennbar das Streben, sich seelisch höher zu entwickeln, angedeutet.
Der Zwiespalt zwischen dem Materiellen, an das Nüßlein selbstverständlich als
Geschäftsmann gebunden ist und seiner Einstellung zum Höheren, Religiösen
zeigt sich deutlich in vielen seiner Bilder.

In starker Lebendigkeit befinden sich Wasser und Wolken; gut ausgedrückt
sind düslere und heitere Stimmungen, und die m^ist vorzügliche Perspektive
und Plastik in Landschaften und Tempeln.

Das manchmal außergewöhnliche Nebeneinanderselzen ungemischter stark
leuchtender Farben versteht man auch nur dann, wenn man die sinnlich-sittliche
Wirkung der einzelnen Farben auf das Gemüt, wie es Goethe in seiner
Farbenlehre auseinander gesetzt hat, kennt. Vom Violett bis zum Rot, dem
sichtbaren Ausschnitt des sogenannten elektro-inagnetischen Spektrums des
Physikers, besitzt jede Farbe eine bestimmte Wellenlänge, und diese ist es, die
auf den Menschen wirkt. Der eine ist mehr für das Rote, der andere für das
Blaue, wieder ein anderer für das Grüne oder eine andere Farbe sympathisch
eingestellt. Man muß den inneren Sinn der Farben erfassen können, darm
versöhnen auch grelle und farbentechnisch unerlaubte Farbenkomposilionen.

Die Bildvorstellungen, wie sie in Nüßlein entstehen, haben große Aehn-
Jichkeit mit den innerlich geschauten Bildern bei Kindern bestimmten Alters
(nach Lehrer W. Albert bei über (3o Prozent aller Kinder feststellbar), mit
den Bildern im Schlummer vieler Menschen (von Goethe, Prof. Rud. Wagner,
Herrn. Bahr, Prinzhorn besprochen), und endlich mit den Bildern, die bei einzelnen
Personen auftauchen, wenn sie eine Musikkomposition hören (in eingehenden
Untersuchungen von Dr. Gh. Ruths studiert und „Musikphantome"
benannt). Bei allen drei Erscheinungen zeigen sich entweder wunderbar leuchtende
rundliche oder eckige Farbflecken, (keine „optischen Nachbilder"),
Farben-Ornamentik, wie Stick- oder orientalische Teppichmuster, unbekannte
Köpfe mit eigenartigem Gesichtsausdruck, verwandelbare Blumen oder Landschaften
. Diese haben größtenteils nicht das Aussehen derjenigen, wie wir sie
mit unserem Auge in der gegenständlichen Welt sehen, sondern sie erscheinen
unirdisch, phantastisch, schemenhaft, entwurfartig, dramatisch stilisiert. Zum
Vergleich brauchen wir uns nur an eigene Traumbilder zu erinnern. Stets*


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