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Böhm: Das mediumistische Malen des Nürnbergers Heinrich Nüßlein. 619

aber erkennt man im Gegensatz zu manchen Schöpfungen des Futurismus und
der neuen Sezession, was das Bild vorstellen soll. Dies ist bei der kurzeij
Dauer der Anfertigung (5 bis l\o Minuten) auch beachtenswert. Der Kunstpsychologe
und Arzt Dr. Prinzhorn sagt: „Bei gewissen Bildgestaltungen handelt
es sich nicht um Nachbildungen von Gegenständen, wie wir sie in der
Natur- und Erscheinungswelt wahrnehmen, sondern mehr um Beziehungen zu
seelischen Faktoren, um durchpulste Bewegtheit, Rhythmus und seelischen Ausdruck
von Schwingungen aus dem Innern des Menschen."

Interessant ist zu beobachten, wie im Schlummer, ehe das Wachbewußtsein
abgeschaltet wird, die Gesichter sich verändern und aus einem alten Gesicht
allmählich ein junges wird und umgekehrt. Während des Malens von
Köpfen seitens Nüßleins kann man als Zuschauer beobachten, daß er das Gesicht
im Ausdruck einigemale ändert.

Kinder, welche die Gabe des inneren Schauens im hohen Grade besitzen,
sagen übereinstimmend aus, daß sie bei geschlossenen Augen das Bild nach
außen projiziert auf eine helle Unterlage, sei es ein Bogen Papier oder die*
Tischplatte wahrnehmen und daher auch in vollkommener Dunkelheit die verschiedenen
Linien farbig nachfahren könnten. Damit erklärt sich die
bisher rätselhafte Fähigkeit, im Dunkeln ein Bild herstellen zu können, wie
es zuweilen auch bei Nüßlein vorkommt. Noch sei bemerkt, daß dieser auch
imstande ist, beim Anhören eines Musikstückes, z. B. Beethovens 9. Symphonie,
ein visionäres Gemälde hervorzubringen. In solchen tritt nicht selten auch das
erotische Moment hervor.

Die Frage, warum Nüßlein eine so riesige Menge (über 2000) von Bildern
in 2V2 Jahren zu produzieren vermag, läßt sich wohl am einfachsten auch damit
beantworten, daß er infolge seines guten Vermögensstandes in der Anfertigung
der Malstücke nicht gehindert ist, während sonst ein Maler in der
Regel erst die fertigen Bilder verkaufen muß, ehe er in der Lage ist, sich
wieder Material zu beschaffen. Selbstverständlich ist, daß Nüßlein bei fortwährender
Betrachtung der selbst geschaffenen Bilder sich immer größere Gewandtheit
in der Ausführung erwirbt.

Außerdem spielt bei Nüßlein noch der gewaltige Glaube an seine Schaffenskraft
eine nicht geringe Rolle. Aus den Lehren Goues wissen wir, was das
Vertrauen in unser Können, in die Macht in uns bewirken kann. Nüßlein
spricht zutreffend gerne von einer ,,Glaubensauswirkung'*, die seine Bilder
entstehen läßt Er schreibt auch automatisch und manche seiner Verse haben
nicht wertlosen Inhalt, besonders, wenn es sich um Ermahnungen für ihn selbst
handelt („Dämon des Sokrates", „Innere Stimme", „Führung").

Da Nüßlein behauptet, sich mit einem Anwesenden oder Abwesenden in
eine andere Zeit und andere Gegenden geistig versetzen zu können, nahm ich
Versuche in dieser Richtung vor. Ich kann versichern, daß sich in einigen
Fällen ein eindeutig positives Resultat ergeben hat. So erzählte er mir in
wenigen Sätzen Inhalte von Erlebnissen, die sich vor drei Jahren bei mir selbst
zutrugen. Nachstehend der Verbuch: Am 11. April 1928 gab ich Nüßlein ein
verschnürtes Päckchen in die Hand lediglich mit den Worten: „Bitte konzentrieren
Sie sich auf das, was Sie in der Hand halten." Nach kurzer Zeit sagte er:
„Ich sehe einen großen Anker an einer schweren Kette, der auf dem Boden am
Vorderteil eines Schiffes liegt; . . . ich sehe eine Dame, die in einer Hängematte
liegt, die zwischen zwei Bäumen befestigt ist; . . dieselbe Dame sehe ich mit

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