Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0628
620 Zeitschrift für Parapsychologie. 10. Heft. (Oktober 1928.)

zwei großen hölzernen Nadeln an einem Deckchen arbeilen, das man auf ein
Sofa oder einen Tisch legen kann; . . (nach einer Pause) .. jetzt sehe ich nui
auf einem Tisch das Deckchen allein liegen, die Dame ist jetzt nicht mehr
da, — das ist eigenartig/' Der Inhalt des Päckchens bestand aus kleinen Lava-
steinchen vom Aetna in Sizilien. Vor drei Jahren befand ich mich dort mit
einer kleinen Gesellschaft, darunter die inzwischen verstorbene Dame 11. Bei
der Ueberfahrt von Neapel nach Palermo standen wir bei herrlicher klarer Nacht
lange auf dem Vorderdeck, wo ein großer Anker, vom Mondlicht hell beleuchtet,
meine Aufmerksamkeit immer wieder auf sich zog. Die sehr naturliebende
Frau R. verbrachte mit Vorliebe ihre freie Zeit im Walde in einer Hängematte
liegend und in ein Buch vertieft. Die von ihr bevorzugte Handarbeit bestand in
der Herstellung von kunstgestickten Deckchen und gehäkelten Sofakissen.

Der Schlußsatz ,,die Dame ist jetzt nicht mehr da4' bezieht sich wohl auf
den Umstand, daß dieselbe seit 1V2 Jahren tot ist. Es wurde demnach nicht der
Inhalt des Päckchens erkannt, sondern mit dem Inhalt in Beziehung Stehendes,
was seinerzeit affektbetonte Eindrücke in meinem Bewußtsein erzeugt hatte.
(Vgl. auch Versuchsergebnisse in meinem Buche ,,Seelisches Erfühlen", Baum-
Verlag.) Auch war er imstande, charakteristische Eigenarten ihm unbekannter
Personen zu erfassen und mitzuteilen. Nüßlein besitzt demnach zeitweise im
starken Grade die Fähigkeit des außersinnlichen „Seelischen Erfühlens * (unter
diesen Begriff fallen: Telepathie, Psyehometrie, Hellsehen, Inspiration, Natur-
sichtigkeit bei primitiven Völkern, Instinkt bei Tieren).

Anschließend möchte ich zur Vermeidung irriger Schlußfolgerungen den
Unterschied zwischen der Tätigkeit Nüßleins und der eines Künstlers im Sinne
heutiger Auffassung darlegen. Der geniale Künstler empfängt die Inspiration,
die sofort in sein Wachbewußtsein tritt, hier mit dem Verstände kritisch geprüft
, und nach den Hegeln erlernter Technik und Mal weise auf eine Unterlage
übertragen wird. Die Arbeit der Hände untersteht dabei der Führung des bewußten
Willens. Schiller schreibt: ,.Das Bewußtlose mit dem Besinnen vereinigt
, macht erst den Künstler. Das Bewußtsein ordnet, feilt, scheidet aus,
was der schönen Iorm zuwiderläuft und was die inhaltlichen Normen des
ästhetisch Wertvollen verletzt. Ohne das Unbewußte fehlt der Charakter des
Genialen, Ursprünglichen, Unmittelbaren, Begeisternden, und es bleibt eine
Blume aus Leinwand und Anilinfarben, statt der duftenden lebendigen Blüte.
4Der künstlerische Einfall stellt sich weder auf Bestellung noch auf willkürlichen
Entschluß ein." Von anderer Seite wird betont: ,,Die künstlerischen
Aeußerungen sind das Hervorbrechen sonst gebundener seelischer Kräfte. Das
fertige Kunstwerk erlöst von einem inneren Zwiespalt. Künstlerische Schöpfungen
waehsen nur aus einer gahrenden, leidenschaftlichen, \erwundbaren
Seele." Der Philosoph und Arzt G. Garus, äußerlich duichaus kein betrübter
Mann, drückte seine unfröhliche Stimmung im Innern durch seine schwermütigen
Bilder aus. Albrecht Dürer erzählt, daß manche seiner Werke Wiedergaben
von Traumgesichten seien. Spinello Aretini soll seine Madonnen gleichsam
von inneren Gesichten abgemalt haben. Der Physiologe und Arzt Johannes
Müller berichtet von einem Flötenspieler, der gräßliche und verzerrte Gesichter
im Traume schaute, obwohl er bereits im ersten Lebensjahre erblindet
•war. Letzterer Fall soll dartun, daß es zur Entstehung von inneren Bildern
nicht unbedingt vorhergegangener sinnlicher Eindrücke bedarf.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0628