http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0629
Walter: Zur Frage der Mediumschaft Slades.
621
Bei Persönlichkeilen wie Niißlein, wird das Inspirierte aus dem Unbewußten
unmittelbar, also ohne Zutun des Willens und ohne vorher ins Wachbewußtsein
vorgedrungen zu sein — scheinbar wie von einer außerhalb des
Menschen waltenden Macht geführt — durch die Hand automatisch auf Papier
oder einem Sperrholzbrettchen sichtbar gemacht.
In dieser außergewöhnlich psychisch bedungenen Produktionsfähigkeit,
in der großen Mannigfaltigkeit der dargestellten Mothe und materialisierten
Ideen liegt das Eigenartige, Bedeutungsvolle und der Wert der Schöpfungen
des Nürnbergers Heinrich Nüßlein.
Verfehlt wäre es, in diesem Falle eine Konkurrenzarbeit für den bewußt
tätigen Künstler unserer Zeit anzunehmen.
Wer eine Ausstellung Nüßleinscher Bilder von dem nunmehr angegebenen
Gesichtspunkt aus, ohne sich vorher überskeptisch oder ablehnend eingestellt
zu haben, besucht, wird viele Anregungen empfangen und einen Begriff bekommen
von der ungeheueren Gestaltungskraft menschlichen Geistes.
Ausstellungen von Produktionen Nüßleins fanden bereits statt in London,
Marienbad, Karlsbad, wo sie lebhaftes Interesse erweckten. Besonders Conan
Doyle, der selbst einig", Bilder käuflich erwarb, äußerte sich eingehend über
Nüßleins Tätigkeit, allerdings in spiritistischer Einstellung.
Kriiik und Methodik.
Zur Frage der Mediumschaft Slades und der Zöllnerschen
Versuche.
Von Prof. Daniel Walter, Graz.
Graf KlinckowstToem hat in den Urkunden des Okkultismus, II. Bd.
S. 1/19 und i5o sein Urteil über Slade dahin zusammengefaßt, „daß gar kein
Zweifel mehr daran bestehen könne, daß er ein Betrüger war und daß der
Streitfall erledigt sei."
Dr. Tischner, der genaue Kenner der einschlägigen Literatur, dem als
Anwalt des physikalischen Mediumismus die Vufgabe zugefallen war, diese gegne*-
rische Behauptung nachzuprüfen, hat dem mit solcher Bestimmtheit gefällten
Verdammungsur teile mit guten Gründen widersprochen, den Fall Slade für
keineswegs spruchreif erklärt und die Forderung erhoben, einem endgültigein,
Urteile Einzelanalysen vorangehen zu lassen, und zwar mit dem weiteren
Erfordernis, daß diese im Geiste vorurteilsloser Sachlichkeit zu geschehen hätten.
(Die physikalischen Phänomene der großen Medien, S. 37 f.)
Da auch ich sein Empfinden teile, daß die Akten über Slade noch lange
nicht geschlossen sein können, weil soviel Gutbezeugtes vorliegt, das der geäußerte
Verdacht nicht aufzuwiegen vermag, habe ich mich der Aufgabe unterzogen
, den noch aussiebenden genauen Einzeluntcrsuchungen einigermaßen \or-
zuarbeilen und damit die Klarung anbahnen zu helfen. Die fortschreitende
Verwissenschaftlichung unseres Forschungsbetriebes wird ja auch für solche
gründliche Kleinarbeit sehr bald Raum schaffen und emsige Arbeiter auf den
Plan rufen.
Ich bin bei diesen Nachprüfungen zu Überraschungen gelangt, wie ich sie
nicht für möglich gehalten hätte, zu Ergebnissen, die die Forderung Tischners
glänzend rechtfertigen.
*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1928/0629