http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1929/0096
52
Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1929.)
Namen unterzeichneten Bericht über seine Wahrnehmungen verfaßte, der sagt,
daß er die an einem Fenster des ersten Stocks auftretende Erscheinung vom
Torbogen des Schloßhofs aus gesehen habe und daß er noch wohl in der Lage
•ei, sie mit hinreichender Genauigkeit zu beschreiben. Die „Weiße Frau4*, so
führt der Berichterstatter aus, schien mir keinen Astralkörper zu haben. Sie
machte vielmehr den Eindruck einer dreidimensionalen Realität unter einer
Form von Schleier, der eine Frau von kleiner Taille zu verhüllen schien. Ihr
Gang, sowie die Art, wie sie den Schleier trug, gaben ihr den Anschein einer
Erslkommuni kantin auf dem Rückweg vom Altar. Sie schien unter dem
Schleier die Hände zu falten wie im Gebet. Die Erscheinung ist von einem
fluoreszierenden Lichtphänomen begleitet. Ebenso wie der Astralkörper, scheint
der obere Teil des Kopfes eine besondere Lichtquelle zu sein, denn er ist lebhaft
leuchtend. Insgesamt kann ich die Lichterscheinung nicht besser charakterisieren
, als wenn ich sie mit der eines großen Leuchtwurms vergleiche. Die
Erscheinung ist von kurzer Dauer, einige Sekunden im Maximum. Es geht ihr
ein leichtes Knistern voran, wie es ähnlich eine Maschine von Ramsden erzeugt.
Noch im gleichen Jahre wurde die „Weiße Frau * von dem kurz zuvor in
den Dienst des Schloßherrn getretenen Gutsverwalter J. R. gesehen. Er sagt
über seine Wahrnehmung unter dem 28. Juni 1925 folgendes:
„Es war anfangs Oktober 1910, kurze Zeit nach meinem Dienstantritt bei
Sr. Hochwohlgeboren Herrn E. v. A. in Bernstein. Ich wohnte im Schloß und
kam nach einer Kartenpartie im Dorf nach 12 Uhr nach Hause; der Hausmeister
öffnete mir das Tor, welches nach meinem Eintritt sofort wieder geschlossen
wurde. Da ich keinen Schlaf hatte und keine Müdigkeit verspürte,
machte ich einen Rundgang gegen die Rüstkammer zu und durch als alte
Kasemattengewölbe wieder zurück. Von letzterem aus sah ich gegen das Gra-
nar, resp. gegen das Eingangstor, eine leichtgekleidete Gestalt — nach meinem
Dafürhalten eine Frau. Ich beschäftigte mich vorher im Geiste mit verschiedenen
Wirtschaftsangelegenheiten, und nun kam mir der Gedanke, wer wohl
jetzt in der Mitternachtsstunde da herumschleichen könne. Mit dem Rufe:
„Hallo! Wohin in so vorgerückter Stunde?" ging ich mit raschen Schritten
auf die Person los. Ohne Antwort zu geben, bewegte sich die Gestalt dem Tore
zu. Ich setzte mich, da ich von ihr noch 20—3o Schritte entfernt war, in Laufschritt
. Ich ärgerte mich, als ich beim Tore anlangte und dort niemand zu sehen
war, obwohl Ich mich sofort überzeugte, daß das Tor gut verschlossen war. Ich
^durchstöberte in der Umgebung alle Türen und Winkel, mußte aber mein
Schlafzimmer im Schloß dann ohne Ergebnis aufsuchen. Da mich der unaufgeklärte
Vorfall ärgerte, konnte ich bis in die Morgenstunden keinen Schlaf
finden. Ich grübelte herum und überdachte die verschiedensten Annahmen.
Ich muß bemerken, daß ich bei dieser Begegnung vollkommen nüchtern und
die Nacht nicht besonders finster war, so daß man einen Menschen auf zirka
i5 Schritte noch gut erkennen konnte. Von der „Weißen Frau * hatte ich dazumal
noch nichts gehört, ich brachte es nicht über mich, auch nur mit einem
Menschen von dieser Angelegenheit zu sprechen, und erzählte den Vorfall erst
nach Jahresfrist meiner Frau. Obige Erscheinung machte mir den Eindruck
einer schlanken Frau, ich fand für dieselbe keine rechte Erklärung; erst als ich
später öfter von der „Weißen Frau4 reden hörte, kam ich auf den Gedanken, es
müsse wohl diese gewesen sein. Ich konnte keinen rechten Grund dafür finden,
warum sie gerade mir, einem neu angekommenen Angestellten der Herrschaft,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1929/0096