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Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1929.)
vor jähem Entsetzen, denn die Gestalt war zur Hintertreppe gelangt und glitt
hinauf in einer Weise, die nicht irdisch war. Es war kein Füßeheben, kein
Steigen die hochstufige Stiege hinauf, kein Haffen der überlangen Gewänder,
kein Gehen, sondern ein entsetzliches, unheimlich schnelles Schweben und
Gleiten, so daß ich in lähmendem Schreck erkennen mußte: das ist kein
Mensch, kein Lebewesen. Meine Vettern liefen der Gestalt nach, an der jäh
verlöschenden Lampe vorbei, doch als sie zur Sliegenecke kamen, war die weiße
Gestalt in Nichts zerronnen. Die Dörfler hatten unterdessen rasch das Schloß
verlassen. Viele der Anwesenden hatten die „Weiße Frau" bei dieser Gelegenheit
schon früher, am Saalfenster, von grünem Scheine umflossen, stehen gesehen
. Ich hätte die Gestalt für eine irdische gehalten, wenn nicht jenes furchtbar
unheimliche, unirdische Hinauf schweben über die Treppe gewesen wäre.
Mein Mann, der die ganze Zeit bei uns stand, hatte überhaupt nichts gesehen
Ein anderer Beobachter (B. E. F.) desselben Ereignisses schließt seinen Bericht
: „Dies meine Begegnung mit der „Weißen*4. Die von mir gesehene Erscheinung
konnte mit einem Projektionsapparat nicht hervorgebracht werden,
ebenso glaube ich eine als „Geist** angezogene Person vom Verdacht der Täterschaft
ausschließen zu können.*'
Wenigo Wochen später scheinen sich die Erscheinungen gehäuft zu haben.
Denn am Mai 1913 schreibt die Gräfin Th. B. über ihre Beobachtungen im
November und Dezember des vorausgegangenen Jahres u. a.:
„Man hatte mir schon oft vom Bernsteiner Schloßgeist erzählt, doch muß
ich sagen, daß ich all dem Gehörten recht ungläubig gegenüberstand, bis zu dem
Tage, da ich selbst Dinge sah, die zu sehen ich niemals für möglich gehalten
hatte. Es war an einem Samstag in den ersten Tagen des Monats November.
Meine Kusine hatte mir erzählt, daß man ungefähr um 10 Uhr abends merkwürdige
Lichterscheinungen in der Kapelle, auf der Hauptstiege und im großen
Saal wahrnehmen könnte. Auch wollten mehrere Personen öfter eine in weiße
Gewänder gehüllte Frauengestalt über die Stiege haben wandeln sehen. An
jenem Samstag gingen nun meine Kusine, ein Vetter derselben und ich, die
Lichter beobachten. Wir saßen alle drei der Kapelle gegenüber bei der großen
Stiege und mir wurde das Warten fast zu lang, da wir ungefähr schon eine
Stunde damit zugebracht hatten, abwechselnd das Kapellenfenster und die
Fenster des großen Saales zu beobachten. Auf einmal sah ich deutlich Licht
vor dem Eingangstor, das in den inneren Schloßhof führt; doch machte es
tn^r ganz den Eindruck, als käme jemand mit einer Laterne von außen durch
das Tor und ich machte meine Kusine auch in diesem Sinne auf das Licht
aufmerksam. Nun hatten wir uns aber kaum dem Tor zugewendet — meine
Kusine und ihr Vetter hatten nämlich vorher nicht hingesehen — als auf einmal
das ganze Tor sichtbar wurde, und zwar von einem starken smaragdgrünen
Licht beleuchtet. Dieses Licht hielt aber nur sekundenlang an und verschwand
dann, um gleich darauf im Kapellenfenster so deutlich zu erscheinen, daß
wir genau die Muster des Fensters und die sie umgebende Bleieinfassung sehen
konnten. Zu erklären waren die Lichterscheinungen nicht, da weder vor dem
Tor, noch in der Kapelle, deren einziger Eingang übrigens verschlossen war,
irgend jemand sich befand, der das Licht hätte erregen können. Die Lichterscheinungen
habe ich einige Male, und zwar sowohl in der Kapelle, als auch
auf der Stiege und im Saale gesehen. Durch die Unerklärlichkeit ihrer Entstehung
berührten sie mich immer unheimlich. Am merkwürdigsten aber ist
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