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Iiiig: Die „Weiße Frau" auf Schloß Bernstein im Burgeniand.

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nannten Burgställen, und sie erschien schon vor \ielen Jahrhunderten, ja vor
Jahrtausenden. Das muß doch stark zu denken gehen. Bei meinen sehr eingehenden
lokalgeschichtlichen Nachforschungen ist sie mir an allen Orten und
zu allen Zeiten in der ungeschriebenen Volkssage wie in den Chroniken
entgegengetreten. Sie wird auch da meist als ein kleines weißes Fräulein beschrieben
, das unter dem Namen „Schloß fräulein' bekannt ist. In der Wäscherburg
, die als Stammsitz des stau fischen Hauses, der Herren von Büren, gilt
(was ich übrigens bezweifle), erschien sie am letzten Tage des Jahres i4o8 dem
Burgherrn, als er eben in sein Schlafzimmer getreten war. Sie schüttelte die
Kissen seines Bettes und verschwand. Er wurde von den Seinen genötigt, für
diese Nachl ein anderes Schlafgemach aufzusuchen. In der zweiten Nacht darauf
aber fiel ein Stein aus dem Kreuzgewölbe seines Zimmers und schlug ihn
lot. Eine Magd auf dem Wascherhof will, wie mir erzählt wurde, die „Weiße
Frau" noch in neuester Zeit aus der Wäscherburg haben treten sehen. Der
Chronist Hilar Binder \on Schwäbiseh-Gmünd, der in seiner i5o3 herausgegebenen
Chronik \on Gmünd und etwelcher Schlösser und Burgen4* übei
die Erscheinung der „Weißen Frau" berichtet, erzählt auch von ihrem Erscheinen
auf der Hohenstaufenburg im Jahre i«?(>8: ,,0 mein Sohn, mein Sohn
Konradin!" rief am 39. Oktober 1268 die 6't jährige Witwe des Kaisers Kon-
lad IV. auf Hohenstaufen, „dein junges Leben ist dahin! Heute nacht ist bei
mir gewesen die „Weiße Frau" und hat die Sandtenne (Sanduhr) gehemmet
auf dem Brüstschranke." Ich will auf die teilweise gut beglaubigten Beobachtungen
in anderen Fürstenhäusern der späteren und neuesten Zeit, namentlich
bei den Ilohenzollern, nicht eingehen, weil über sie schon so viel gesprochen
und gesehrieben wurde, daß ich sie als bekannt voraussetzen kann. Hier möchte»
ich nur noch ein soeben erschienenes Büchlein ^Schwaben*erlag, Ellwangen)
erwähnen, das sich „Sagengold, die schönsten Sagen aus Württembergs Nordosten
" betitelt. Beim flüchtigen Durchblättern dieses Büchleins stieß ich auch
da auf Erzählungen von der „Weißen Frau", und /war von ihrem Erscheinen
im Kameralamtsgebäude zu Roth am See, im Schloß Tannenbtug bei Bühlerlann
, in den Ruinen der Feste Flochberg, auf dem Hesselberg bei DinkelsbühL
im Klingengäßle zu Dirgenheim und auf dem Gilgenberg zwischen Ellwangen
und Hütilingen. Al»o überall, landauf, landab die ,.Weiße Frau" und — merkwürdigerweise
fast immer von dem gleichen Vusselien und von den gleichen
Nebenumständen begleitet, wie auch im Schloß Bernstein. Bald heißt es „ein
weißes Fräulein", bald eine Gestalt in „weißem jungfräulichem Gewand", bald
„ein weißes Fräulein in bräutlichem Schmuck", nicht selten trägt sie einen
Schlüsselbund am Arm und wird daher, wie z. B. in Bühlertann, mich
Schlüsseljungfer genannt. Dieser Schlüsselbund ist nach Erwenweig auch in
Bernstein beobachtet worden, wo die „Weiße Frau" ebenfalls als „jungfräulich"
und als „geschmückt' chaiakterisiert wird. Auffallenderweise gehen die Angaben
über ihre Absichten oder Betätigungen erheblich auseinander. An dem
einen Ort hilft sie den Mägden bei der häuslichen \rbeit, am andern bewacht
sie einen verborgenen Schatz, am dritten Ort führt sie die nächtlichen Wanderer
irre, meistens aber kündet sie l nheil an. Wenn man alle diese Merkmale
zusammenhält, dann sieht man sich mitten hineingestellt in die altdeutsche
Mythologie. Dann erblickt man in ihr bald die Züge der Frigga oder Freia,
bald die der Bcrchla oder der Frau Ilolda, die wohl ursprünglich alle eine^
Stammes waren. Denn wie die „Weiße Frau" heute, so verfügten einst auch

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