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Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1929.)
Christus mit den Worten: „Schlama Rabbuni", das ist aramäisch: „Gruß Meister
". Wie die Jünger Jesu den Verräter nahen sehen, rufen sie voll Entrüstung
und Aufregung: „Magera baisebua gannaba, gannaba magera baisebuba!"
Dieser Satz ist bisher von den Gelehrten nicht verstanden worden. Es ist darin
das vulgär ausgesprochene magera ein Lehnwort aus dem Griechischen,
machiara, das an der entsprechenden Stelle in dem Berichte des Evangeliums
Lukas 22, 49 steht. Die griechischen Lehnwörter verlieren regelmäßig bei ch
ihre Aspiration: chartes, griechisch, lautet qartisa auf aramäisch. Die Schergen
fragen nunmehr nach „Jeschua Nasarija". Jesus antwortet „Ana" (das ist
aramäisch „ich"; hebräiscn würde es anochi lauten). Dann sagt er noch zu den
Jüngern gewendet: „Komu!" (das ist aramäisch: „Auf!"). Jesu wird nun gefangen
fortgeführt, die Leute auf der Straße rufen aus: „Ma hada?" (nur auf
aramäisch verständlich; es bedeutet: „Was ist das?").
Von den Kreuzesworten aus dem Munde der Therese Neumann entsprechen
„EIa(h)i, EIa(h)i lema schebaktani" (mit ganz dumpfem a in Ela(h)i) dem
Berichte des Evangeliums Matth. 27, 46 und Mark. 15, 34, das ist aramäisch:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!" Ferner hört Therese
Neumann „äs-che", das ist „Ich dürste!" so sagt sie in richtigem Aramäisch,
während die Gelehrten, die Christi Worte auf aramäisch konstruieren wollten,
das ebenfalls richtige „sachena" vorschlugen.
Man fragt sich: Woher hat Therese die nicht erwartete und doch richtige
Form „äs-che"? Das ist ein Rätsel, das keine Suggestionshypothese lösen kann.
Dann: „Abba schabok lähon", das ist aramäisch: „Vater, vergib ihnen!" „(Amen".
„Amen amarna lach b(j)am' atte emmi b pardesa, das ist aramäisch: „Amen,
Amen, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein." — „Schalem
Kolohi", das ist aramäisch: „es ist alles in beendetem Zustand; es ist vollbracht
!" — „Abba be (l)ada(ch) afkid ruchi"; das ist aramäisch: „Vater, in
deine Hand empfehle ich meinen Geist!"
Es handelt sich zweifellos um richtiges Aramäisch, wie es wohl zu Christi
Zeiten gesprochen wurde. Die Tatsache des Aramäischen steht fest. Therese
Neumanns Angaben sind in grammatischer Hinsicht durchaus stichhaltig, sie
bestehen in beachtenswerter Weise auch scharfe Prüfungen im einzelnen. Sie
sind auch von verschiedenen Personen unabhängig voneinander vorgenommen
worden. Die Hypothese, es liege eine von dem Spezialisten im Aramäischen
Professor Wutz ausgehende unbewußte Suggestion vor, ist hinfällig, da auch in
Abwesenheit von Wutz und vor der Bekanntschaft mit Wutz die Worte von
anderen gehört wurden. Nimmt man die Hypothese des Gedankenlesens /u Hilfe,
so bleibt es unerklärlich, daß Therese einen richtigen Satz spricht, der aber
den Forschern bis jetzt unverständlich war, ferner, daß sie eine aramäische
Wortform gebraucht, welche die Forscher nicht vermuteten, die aber trotzdem
richtig ist. Sie müßte also auch solche Gedanken lesen, welche Professor
Wutz und die anderen überhaupt nicht gehabt haben; das ist Unsinn. Kurz,
selbst im Bereich all jenes Merkwürdigen liegt hier etwas Unerhörtes, noch
nie Dagewesenes vor.
4 Die Mörder einer vermeintlichen Hexe freigesprochen.
So unglaublich der nachstehend berichtete Fall auch klingen mag, so kann
er unmöglich bezweifelt werden, denn er ist Gegenstand zweier Gerichtsverhandlungen
gewesen. Es wurde über denselben wohl auch in der Tagespresse
kurz berichtet, doch .ging man ziemlich gelassen darüber hinweg, was ich mir
nur damit erklären kann, daß den Lesern der Tagespresse so viele unwahre und
tendenziös entstellte Artikel okkultistischer Natur dargeboten werden, daß sie mit
Recht mißtrauisch geworden sind.
Die bekannte Parapsychologin, Gräfin Wassifko-Serecki, war es,
die mich dazu aneiferte, dieser Sache nachzugehen. Ich wandte mich zunächst
an den Pfarrer von Bekes-Gyula, der den Hauptbeteiligten Vincenz Tokär verhört
hat und mir mit wenigen Zeilen mitteilte, daß sich der Fall im großen ganzen
tatsächlich so zugetragen hat, wie er in den Zeitungen geschildert war. Es
gelang mir schließlich, die Abschriften der beiden gerichtlichen Urteile zu verschaffen
. Ich bin daher in der Lage, die Beschreibung des Falles meinerseits»
ganz zu erübrigen (wobei man immerhin eine individuelle Färbung vermuten
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